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Der Kerstensche Pavillon stand einst am Annuntiatenbach, war das Gartenhaus der reichen Patrizierfamilie Mantels gewesen. Im Jahr 1907 kauften die Aachener den Pavillon, rissen ihn ab Stein für Stein und translozierten ihn auf die Mittelterrasse des Lousbergs, wo er ähnlich im Hang steht wie an seinem ursprünglichen Platz im Garten der Familie Mantels.
Bevor ich Jeremias Coster kennen lernte, hatte er eine Weile oben im Dachgeschoss des Pavillons gewohnt, wie vorher und nach ihm andere Professoren der Technischen Hochschule Aachen. Eine bessere Studierstube hätte ich mir nicht denken können, und für einen Pataphysiker ist das Dachgeschoss dieses barocken Patrizier-Tempels erst recht der ideale Ort, so über der Stadt, ihr nächtliches Blinken unter dem Sternenhimmel vor Augen oder die blitzende Sonne auf den Dächern.
Am Portal des Pavillons war ich selten gewesen, meist an der hinteren Tür, denn unten ist man als Fußgänger gefährdet. Da kommt die Fahrstraße um die Kurve, hoch zum Drehturm. Also, der Turm dreht sich nicht, sondern das Café auf dem alten Wasserturm. Was meinst du, wenn man in so einem Drehturmcafé einen Löffel in den Kaffee steckt, muss man dann gar nicht umrührn, weil sich der Kaffee um den Löffel dreht?
Telefon klingelt. Eine Frau sagt:
Hier ist die Weinhandlung Hannover.
Bin ich mit der Traube verbunden?
Nein.
„Oh, da habe ich mich verwählt.
Ja.
Dann bitte ich um Entschuldigung!
Tschüs.Entschuldigung? Da oben steht noch der Fehler im Wort umrühren. Es fehlt ein „e“, aber man sieht nicht, dass es fehlt, denn es ist ja nicht da. So ein Anruf bringt mich ganz durcheinander. Man hat mich schon für vieles gehalten, und manches davon war nicht schmeichelhaft für mich. Aber warum sollte ich die Traube sein? Das gibt keinen Sinn, wäre mir auch unangenehm. Man wird als Traube zertreten und gesoffen oder zerbissen und geschluckt.
Der rasche Aufstieg zum Kerstenschen Pavillon hatte mich erst recht erhitzt. Mir perlten die Schweißtropfen von der Stirn, als ich vor der herrschaftlichen Treppe stand, und das sollte mir oben noch peinlich werden. Die Flügeltür war offen, ich drückte sie auf und trat in die Halle. Sie ist, wie man sich denken kann, beinah höher als weit. Hohe Decken befreien den Kopf. Ich bin sicher, unter der genormten Deckenhöhe 2,40 Meter werden andere Gedanken gedacht als unter einer hohen Decke, die achtungsvoll zurückweicht. Unter solch einem eigenen Himmel fühlt der Mensch sich erhaben. Es drückt das Lebensgefühl gekrönter Häupter aus und sogar das einer Stadtpatrizierfamilie, stolz und hochaufgerichtet. Sich erhöhen durch die Architektur. Das ist ein beneidenswertes Privileg. Die Aachener haben dieses Privileg an ihre Bürger übertragen. Man muss nur zur rechten Zeit kommen, um die Türen offen zu finden.
Nebenher: Google lügt. „Tod auf dem Dachboden von Trithemius am …“ Das ist zweimal nicht wahr. Ich bin nicht am 11.10. auf meinem Dachboden gestorben. Er gehört nämlich gar nicht mir.
22 Kommentare zu Die Papiere des PentAgrion (4) -6Destruktiv, Fortsetzung