Abendbummel online – Wenn Friseure Bücher schreiben

Georg Christoph Lichtenberg schlägt vor: „Man sollte die Bücher immer desto kleiner drucken lassen, je weniger Geist sie enthalten.“ (Sudelbuch K 52)

Das hätte allerdings üble Konsequenzen: Die Papierhersteller würden verarmen, die Buchhandlungen wären voller Miniaturen, und man bräuchte Lesebrillen mit Gläsern wie Glasbausteine. Auch die meisten Verlagshäuser würden zusammenschrumpfen, und ihre Autoren müssten sich entleiben.

Zu deren Glück verhält es sich in Wahrheit genau andersrum. Buchhandlungen gleichen Tempeln, und Verlage gehören zyklopenhaften Medienkonzernen. Sie wiederum verbreiten über Zeitung, Zeitschrift und Buch, Film, Radio-, Fernsehprogramm und Internet einen schier unfassbaren Blowup des Schwachsinns. Diese mediale Irrsinnskultur verhält sich reziprok zum Geisteszustand des Konsumenten. Oder: Verblödete Medien verblöden das Volk und dessen fortschreitende Verblödung fordert nach immer blöderen Produkten.

Großer-Bildschirm

So ein großer Flachbildschirm ist dann wirklich hilfreich. Er vermittelt das prächtige Abbild des Irrsinns gleichsam intravenös mit dem Gartenschlauch. Das macht so schön dusselig im Kopf, und wer einmal angefixt ist, den giert es nach immer mehr.

Einen Mann von der Straße sah ich im Fernsehen. Er wurde nach Bundeskanzlerin Angela Merkel gefragt und gab diese umfassende politische Analyse ab: „Ja, die Merkel hält die Fäden in der Hand. Die anderen denken, sie könnten die … aber die weiß genau, was sie will.“ Das ist nicht zum Lachen, denn auf dieser Ebene läuft es nicht nur auf der Straße und am Stammtisch, sondern so läuft auch die mediale Debatte ab. Die Medien wissen den gerührten Quark nur perfekter zu inszenieren. Hohle Sprüche und gute Frisuren oder, wie Gottfried Benn sagt, „Nichts – Aber darüber Glasur.“

Warum sind Köche die neuen Popstars der Medien? Was sie tun, ist handfest. Und am Ende können sie Produkte vorweisen. Das lässt sich leichter verstehen als etwa abstrakte Erörterungen gesellschaftspolitischer Vorgänge. Alles leicht fassliche ist den Narren ein kulinarischer Hochgenuss.

Wahlplakate mit den Gesichtern von Riesen. Nach Lichtenbergs Formel dürften sie nicht größer sein als die Notopfermarke Berlin. Gestern fuhr ich mich beinah an einem Wahlplakat von Guido Westerwelle zu Tode. Eine Böe hatte es umgeweht und aus dem Rahmen gerissen. Westerwelle lag auf dem Gesicht, und von seiner Rückseite stachen rostige Nägel hervor. Beim Umfahren der Westerwellschen Stacheln wäre ich beinah gestürzt. Und ich dachte, das wäre blöd gewesen, aber jetzt weiß ich wenigstens, wie schäbig so ein Kerl ist hinter der gelackten Fassade.

Guten Abend

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