Kandidat vom Mittelmaße ziert die ganze Limmerstraße

abkacken für unser LandGestern fuhr ich mit dem Rad über die Limmerstraße im Hannöverschen Stadtteil Limmer. Man hat sie auf ihrer gesamten Länge mit Wahlplakaten der SPD geschmückt. Da musste ich glatt zweimal hinsehen. Es stand unter Steinmeiers Konterfei natürlich nicht: „Abkacken. Für unser Land.“, sondern: „Anpacken. Für unser Land.“ Entschuldigung. Bitte. Ich leide. Nicht unter einer Störung der visuellen Worterkennung, sondern war ein bisschen müde und abgelenkt vom lebhaften Treiben auf dieser beliebten Einkaufsstraße. Man will schließlich keinem Mütterchen den Rollator aus den Händen fahren. Und wenn ich den gestikulierenden Migranten gestreift hätte, wäre ihm vielleicht das Handy vom Ohr abgegangen. Zudem musste ich aufpassen, nicht mit den Reifen in die beidseitig verlegten Straßenbahnschienen zu geraten. Doch meine Augenblicks-Dyslexie hatte vermutlich nicht nur etwas mit diesen Umständen zu tun, sondern auch mit meiner Erwartungshaltung. Frank-Walter Steinmeier wird voraussichtlich nicht unser nächster Bundeskanzler werden. Mit diesem Wahlplakat erst recht nicht.

Steinmeier richtig anpacken
Das wahrnehmungstheoretische Unglück wurde gestaltet von der A&B COMMUNICATIONS GROUP. Ich gebe zu, dass Wahlwerbung ein schwieriges Geschäft ist. Aber prüfen die einen Slogan nicht, ob er eventuell durch geringfügige Veränderungen ins Gegenteil verkehrt werden könnte? Angenommen ein nächtlicher Zecher kommt vorbei und hat zufällig einen fetten Edding in der Tasche. Haben die keinen Humorexperten in ihren Reihen, der so etwas voraussehen kann? Sind’s alle nur arrogante Werbefuzzis, immerzu verliebt in ihre überaus genialen Ideen, z.B. Punkte zu setzen, wo keine hingehören? Ich verstehe das nicht. Die SPD wird schließlich auch von dem berühmten Werbefachmann Sascha (Ich wäre so gern Propagandaminister) Lobo beraten. Es ist ein Elend. Andererseits, warum sollten die Werbefachleute besser sein als die Kandidaten. Es gibt eben Zeiten, da drängen nur Mittelmäßige in die ersten Reihen. Zum Ausgleich sind’s dann besonders viele. Hauptsache, schöne Frisur. Da gibt sich sogar Frau Merkel redliche Mühe.

Schon einmal hat sich die SPD einen schönen Unsinn aufschwatzen lassen, und zwar für die Bundestagswahl 1990. Der damalige Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine konnte ebenfalls nichts werden. Sein Slogan „Der neue Weg“ ließ sich einfach umdeuten, weil die Werbefachleute sich für die Schreibung in Versalien entschieden hatten. Dann aber ist WEG ein Homograph, ein Wort mit zwei Lesebedeutungen, Weg oder weg. „Der Neue weg!“, höhnte damals die Junge Union. So kam es dann auch.

Oskar weg

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