Kleine Psychopathologie des Hundebesitzers

Ein Alltagsrätsel: Was treibt viele Hundebesitzer dazu, ihre Hunde auf Kinderspielplätze zu führen? Ist es ein tief verwurzelter Hang zum Anarchismus, ein innerer Widerstand gegen die in unserer Gesellschaft allgegenwärtigen Gebote und Verbote? Das wäre nachvollziehbar. Aber könnten die rebellischen Hundebesitzer nicht ersatzweise bei Rot über die Straße gehen und sich überfahren lassen?

Hier-nicht

Sehen Hundebesitzer das Verbotsschild eines Spielplatzes, werden manche von einem kindlichen Trotz des „Jetzt erst recht!“ beseelt. Das gilt besonders für Besitzer kleiner oder junger Hunde. Denn sind sie nicht auch wie Kinder? Und was nutzt es, wenn die Besitzer kalbsgroßer Rüden über den Spielplatz rufen: „Der tut nichts!“ Sie selbst zeigen augenblicklich erschreckende Beißwut, wenn man sie zaghaft darauf hinweist, der Sandkasten sei nicht das Hundeklo. Als junger Vater habe ich mir manch herrisch hervorgestoßene Bosheit anhören müssen. Im schönsten Sommer „du Weihnachtsmann“ genannt zu werden, war noch die Witzigste. Inzwischen sind meine Kinder glücklich erwachsen, was ich hauptsächlich darauf zurückführe, sie von Spielplätzen fern gehalten zu haben, solange sie noch im Sandkasten buddeln wollten.

Auf ausgewiesenen Hundetoiletten habe ich hingegen selten bis nie einen Hund gesehen. Freilich wäre der nahe liegende Schildertausch inklusiv Umzug der Spielgeräte keine Lösung. Denn Hundebesitzer werden nur von Spielplätzen magisch angezogen. Liegt es daran, dass manche in ihrem Hund einen Kindersatz sehen? Immerhin reden sie mit ihren Hunden in einer Sorte Babysprache voller Diminutivsuffixe, Herrchen, Frauchen, Stöckchen, Leckerli und dergleichen. Man kann aber Kind und Hund leicht voneinander unterscheiden. Auf den Spielplatz geführte Hunde klettern nicht freudig auf eine Rutschbahn. Auch sitzen sie nicht freiwillig auf Wippen oder in Kotzmühlchen. Sie nutzen all diese Geräte höchstens unter Leinenzwang. Und ihre Gestaltungsprodukte im Sandkasten sind nur von ihrer Ernährung und nicht von ihrem Formwillen geprägt.

Vielleicht ist alles genau umgekehrt. In Wahrheit führen die Hunde ihre Besitzer auf die Spielplätze. Die treuen Tiere wittern den naiven Unverstand am anderen Ende der Leine und wollen den vernarrten Kindsköpfen etwas Gutes tun. Hier zeigt sich auch die grundlegend falsche Verbotsschild-Gestaltung. Wenn man Hunde fernhalten will, darf man keinen Hund abbilden. Schließlich sind Hunde Analphabeten. Das im Gif zu sehende Kackverbotsschild an einem Kinderladen-Hof verlangt Hundebesitzer wie Hund sogar eine semantische Meisterleistung ab und ist daher mit Recht völlig unwirksam.

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