Zigarettenpausen können auch ihr Gutes haben

„Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“, so enden viele Märchen. Ich habe als Kind nie verstanden, was das heißt. Darum habe ich mir immer wieder gewünscht, dieses anhaltende Glück würde mal in einem Märchen entfaltet wie ein großer Plan, und der Erzähler würde mit dem Finger reintippen und sagen: „Guck, das ist Glück. So sieht es aus, und so fühlt es sich an.

Das geschah aber nie, und so dachte ich, anhaltendes Glück muss wohl ziemlich langweilig sein, so dass es kaum zu erzählen lohnt. Ist eh nur Jubeln und Frohlocken und daher für Außenstehende uninteressant. Vielleicht kommt aber auch das glückliche Ende so bald, dass nix Schlimmes mehr passieren kann. Vielleicht sterben Prinz und Prinzessin einfach direkt aus dem höchsten Glück weg, beispielsweise in der Hochzeitsnacht. Die Idee kam mir natürlich später. Aber sie ist nicht schlecht, man wird dann mit Fug und Recht sagen, die Ehe sei glücklich gewesen. Hochzeitsnacht, höchstes Glück, und dann heißt es: „Abschalten, jetzt kommt nichts Gutes mehr, nur noch das Testbild.“

Glücklich-bis-ans-Ende-ihre

Ach, und in Unserem Märchen kommt nicht mal mehr das Testbild. Es wurde in der guten alten Fernsehzeit abgeschaltet. Die glücklichen Tage sind also längst vorbei, und leider geht es trotzdem weiter und weiter. Fernsehmacher wie Zuschauer sind vermutlich längst tot, und alles spielt sich in einer Art Vorhölle ab. Mist, die Vorhölle gibt’s ja auch nicht mehr. Die hatte ihre beste Zeit gehabt, und darum hat Papst Benedikt die Vorhölle im letzten Jahr abgeschafft. Ersatzweise Hölle. Da geht es uns nicht wirklich schlecht, denn der Kot ist warm und reicht allen nur bis zum Bauch, höchstens bis zur Brust. Aber dann heißt es plötzlich: „Zigarettenpause zu Ende, alles hinsetzen!“

Ein Glück – nur ein Traum. Zumindest, was den letzten Satz betrifft. Zurück zum Thema. Es ging um das unbeschreibliche Lebensglück. Warum beschreiben die Märchen das Glück nicht? Darin steckt wohl die Lebensweisheit, dass sich Glück nicht allgemeingültig beschreiben lässt. Es gibt kein Konzept für’s Glück. Jeder muss sich sein Glück selbst ausmalen. Überindividuelles Glück wäre langweilig, Fahnen, Sonnenschein, blauer Himmel und Festwiese, und das jeden Tag. Im gewissen Sinne ist unsere Gesellschaft so, jedenfalls da, wo ein gewisser materieller Überfluss herrscht. Und weil wir dieses Glücksgedöns jeden Tag um uns herum haben, merken wir es nicht.

Wir haben keine verheerenden Erdbeben (Dass mir als erstes Erdbeben eingefallen sind, ist kein gutes Zeichen. Wenn ich beispielsweise mit dem Rad fahre und plötzlich ganz ohne Anlass denke: „Du hast schon lange keinen Platten mehr gehabt“, dann zischt es Augenblicke später aus einem der Reifen, meistens hinten, weil’s mehr Arbeit macht.) Also, wir haben keine Erdbeeren, keine Wirbelstürme (ach du liebe Zeit!), keine Kriege (stimmt sowieso nicht, wir führen Krieg in Afghanistan mit Fahnen über Särgen und allem drum und dran – ist aber weit weg.) Wir können essen, was wir wollen, haben geheizte Wohnungen, fließend Wasser heiß, kalt oder gemischt. Wir haben Naherholungsgebiete, Rundwanderwege, saubere Flüsse, Reinheitsgebot beim Bier, Günther Jauch und Spaßvögel in zu engen T-Shirts … Manche haben sogar Arbeit, manche gehören sozialen Netzwerken an, wir haben Medien und das Internet, das uns anregende Kontakte mit der ganzen Welt erlaubt.

Das wären viele Gründe, glücklich zu sein, wären sie nicht Alltag. Wir merkens kaum noch. Darum heute ein Loblied auf das Internet und seine Möglichkeiten der sozialen Vernetzung. Hallo und vielen Dank. Die Zeit bis zum Ende der Zigarettenpause ist wenigstens lehrreich und unterhaltsam mit euch.

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