Demokraten, Banditen und Piraten

Am Montag, dem 22. Juni 2009, 22.15 Uhr in der Phoenixsendung UNTER DEN LINDEN; Thema: “Unter Piraten – Wem gehört das geistige Eigentum?” diskutierte Christoph Minhoff mit Prof. Rupert Scholz, Ex-Bundesminister der Verteidigung (CDU) und Staatsrechtler und Dirk Hillbrecht, Vorsitzender Piratenpartei Deutschland.

Es schien ziemlich übertrieben, dass die Regierungsparteien gegen Chefpiraten Dirk Hillbrecht den Strafrechtler Rupert Scholz aufgeboten hatten. Champions League gegen Landesliga. Man hatte sich zudem der Parteilichkeit des Moderators versichert. Mehrmals brillierte er mit dem Einwand, nicht zu verstehen, was Hillbrecht meine. Dabei wirkte er wie ein gekaufter Schiedsrichter, der fälschlich behauptet, ein Ball sei im Aus gewesen. Die beiden gegen den unerfahrenen Piraten, das schien eine ausgemachte Sache zu sein. Staatsrechtler Scholz gab den scharfsinnigen Kopf und Moderator Minhoff spielte den doofen Ausbremser.

Trotzdem tappte Rupert Scholz schon beim Thema der Bekämpfung von Kinderpornographie in die Falle, so dass ich dachte, Scholz wäre vielleicht ein von den Piraten umgedrehter Doppelagent. Wie das zuging? Pirat Hillbrecht sagte, seine Kritik am Gesetz richte sich gegen die Verfahrensweise, die jetzt beschlossen sei. Statt strafbare Inhalte zu löschen, werde der Zugriff auf die kriminellen Seiten blockiert. Dazu müsste man eine Überwachungsstruktur aufbauen, die jederzeit auf andere Inhalte ausgedehnt werden könnte, installiere also eine tendenziell unkontrollierbare Zensur. Scholz drohte, wenn im Internet zum Mord an Hillbrecht aufgerufen würde, wäre Hillbrecht der erste, der eine Sperrung dieser Seite fordere. Und es gehe ja auch nicht an, dass Kinder im Internet durch Killerspiele zu Mördern ausgebildet würden.

Nein, das würde Hillbrecht natürlich nicht gefallen, wenn seine Mörder sich ausbilden, indem sie Internetsoldateska oder gepixelte Omas abschießen. Scholz bestätigte mit seinem geschmacklosen Beispiel die Vermutung, dass die Bundesregierung über weitere Sperrungen nachdenkt, und offenbar ist da kaum ein Ende in Sicht, sondern es geht nach Gutsherrenart. Rupert Scholz (CDU) ergänzte, das Internet sei kein rechtsfreier Raum. Auch dort müsse deutsches Recht gelten. Aber weil man die Internettäter nicht fassen könne, wenn sie beispielsweise in Brasilien sitzen (schönen Gruß an Brasilien), müsse man die User mit dem Stopschild schützen. Das ist so, als dürften wir nicht mehr aus dem Haus gehen, weil draußen Verbrecherbanden ausschwärmen. Die Polizei lässt sie gewähren, stellt sich aber in die Hauseingänge und versperrt unsere Türen. Und dann werden die Fenster zu den dunklen Gassen zugenagelt, damit wir das Morden und Schlachten, Kinderschänden und Missbrauchen nicht mit ansehen müssen. Aber auch bestechliche Politiker, und betrügerische Banker sollen wir besser nicht sehen. Also nagelt die Polizei sogar die Schöne-Aussichten-Fenster zu.

Am Ende verrammeln sie auch das Teppichhausfenster. Begründung:

„Am 23. Juli 2009 wurde im Teppichhaus Trithemius ein Text veröffentlicht, der geeignet war, die fürsorglichen Maßnahmen der Bundeszentralbehörde für Internetzensur zu diffamieren. Die Seite ist ab sofort gesperrt, weil sich die Wunderbare BUndesregierung mit Nachdruck der ehrenvollen Aufgabe widmet, unsere Kinder zu schützen.“

Auf dieses Zitat erhebe ich kein Urheberrecht. Wenn mich die Bundesregierung aber dafür bezahlen will, weil er den einsichtigen Volksvertretern ein Licht hat aufgehen lassen, dass sie sich wie Demokraten zu verhalten haben und nicht wie Banditen, die mit allen Mitteln an der Macht bleiben wollen – das Geld will ich nicht. Denn was ich hier geschrieben habe, ist nicht allein mein geistiges Eigentum. Es ist das Ergebnis von freier interaktiver Kommunikation im Internet, von einer Bemerkung hier, einer anderen dort. Was hier steht, folgt einer Einsicht, die aus vielen vernetzten Köpfen kommt.

Das Motto des Teppichhauses ist: „Klaut alles“ Das bedeutet nicht, dass jemand Texte von mir unter seinem Namen im Internet oder als Buch veröffentlichen dürfte. Das wäre geistiger Diebstahl. Das launige „Klaut alles“ bedeutet, dass jeder Internetnutzer die Texte aus dem Teppichhaus kostenlos für sich nutzen und weiterverbreiten darf, freundlicherweise mit Quellenangabe. Denn im Internet müssen Informationen frei verfügbar sein, seine Stärke liegt im zensurfreien geistigen Austausch.

Danke an Mimiotschka für den Link

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