Kopfkino – mit ein bisschen Qualm und seiner Betrachtung

Wie ist das, einen Balken im Auge zu haben? Weiß irgendwer von einem solchen Balken, wenn er gleichwohl von anderen gesehen werden kann? In der Spiegelung durch andere, die einem vertraut sind und in der eigenen Rückbesinnung kann man manchmal erkennen, dass man einen Balken im Auge gehabt hat. Das Bild meint einen Knoten im Gehirn, aber das ist auch nur ein Bild. Der Aufmerksamkeitsfluss des Denkens gerät dort immer an ein großes Schild: GESPERRT!, und was sich dahinter anders denken ließe, weiß man nicht. So ein Sperrschild kann man sich rasch einfangen, viele sogar. Sie werden quasi unablässig von außen herein getragen und irgendwo aufgehängt. Und eigentlich müsste man ständig hinterher sein und fragen, ob das Schild da und dort überhaupt nötig ist.

Eine einfache Wahrnehmungs- und Denksperre kann auftreten, wenn man von einer Sache plötzlich fasziniert ist. Dann vergisst man leicht, dass man zufällig unbequem sitzt, in einer Haltung, die man im Normalfall freiwillig nicht einnehmen würde. Mir geschieht das ziemlich oft. Und es gibt gewiss ähnliche Beispiele.

Einen sehr großen Balken im Auge eines Mannes konnte ich letztens beobachten. Ich war sogar der Leidtragende, obwohl er mir Leid getan hat. Denn ihm hat Propaganda den Balken derart tief in den Kopf gerammt, dass er den wohl allein nicht mehr loswird. Und ich hatte keine Lust, ihm zu helfen. Ich stand nämlich vor einem Haus und rauchte. Vom Rauchen rate ich prophylaktisch ab. Ich bin da kein Vorbild. Allerdings regt sich in mir langsam der Trotz. Über den Bürgersteig strich ein zugiger Wind, der Rauch meiner Zigarette wurde rasch verblasen. Da trat ein Mann aus dem Nebenhaus und geriet eventuell in ein zartes Rauchwölkchen. Er hustete mir ostentativ eine Botschaft in den Nacken, sah mich vorwurfsvoll an und wollte gar nicht zu Hüsteln aufhören, bis er sein Auto aufgeschlossen hatte, ein älteres Modell. Als die Autotür hinter ihm zufiel, war er gewiss froh, wieder in Sicherheit zu sein, und reine Luft atmen zu können. So schaffte er es trotz seiner linden Rauchvergiftung, den Motor zu starten und wegzufahren. Ist es eine unzulässige Verallgemeinerung, wenn man sagt, der Auspuff seines Wagens ist wesentlich dicker als meine Zigarette und qualmt auch viel länger?

Jeder hat solche Knoten in seinem Denken wie der Autofahrer. Das ganze Denken besteht aus Knoten, es kann eben nicht gedacht werden, wo keine Vernetzungspunkte sind. Trotzdem lohnt es sich, die Verbotsschilder manchmal abzuhängen und zu schauen, wie die Welt dahinter aussieht. Manche braucht man nur zu lüpfen und weiß, hier will ich nicht weiter. Aber an anderen Stellen kann man nachschauen und dann zurück auf die Seite, aus der man kam. Es erweist sich oft als Erweiterung, wenn man die Dinge von zwei Seiten betrachtet.

Teppichhaus-Musiktipp: Radiohead; Street Spirit

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