Abendbummel online – Von wegen, der Genitiv stirbt aus

Heute habe ich der Maisonne gestattet, mich an die Leine zu nehmen und bin unter heftigem Pollenflug Leineaufwärts geradelt. Irgendwo muss das ganze Wasser ja herkommen, dachte ich, bin aber ehrlich gesagt zurückgekehrt, lange bevor ich die Leinequelle gefunden hatte. Man kann aber auch nicht immer an der Leine entlang fahren, sondern wird gelegentlich ins Umland geleitet, was den Weg ungemein verlängert.

Nachdem ich die Leine mehrmals überquert, aus dem Blick verloren und wieder gefunden hatte, musste ich mir eingestehen, dass es mit der Erforschung der Quellregion nichts werden würde. Man soll sich ja besinnen, wenn’s am schönsten ist, und so kehrte ich irgendwann um, obwohl jede Biegung des stark mäandernden Flusses neue Ansichten und Aussichten versprach.

Bei Döhren, unweit von Hannover, rastete ich inmitten einer Teichlandschaft, saß aber zum Glück auf dem Trockenen im Halbschatten, und derweil im Wasser drei Entenküken erbärmlich fiepend ihrer Mutter zu folgen versuchten, die das lästige Pack offenbar loswerden wollte, fiel mir Karl-Heinz Rummenigge ein. Der hat natürlich nichts mit Enten zu tun, ist mir sogar herzlich gleichgültig, aber ich hatte ihn am Samstag in der ARD-Sportschau gesehen, und da sagte er: „Am Ende des Tages kann Franck Ribéry den Club ohne das Ja des FC Bayern nicht verlassen.“

Am Ende des Tages? Kann Ribéry den FC Bayern jederzeit unerlaubt verlassen, morgens, mittags, nachmittags, nachts, nur eben am Ende des Tages nicht? Franjo Pooth im Bildinterview: „Am Ende des Tages gab es Gläubiger und vor allem Kleingläubiger, die durch meine Risikofreudigkeit gelitten haben und auf offenen Rechnungen sitzen geblieben sind.“ Ehefrau Verona Pooth im ZDF bei Markus Lanz: „Ich bin am Ende des Tages ’ne normale Ehefrau.“

Dieses Tagesende scheint ein vertrackter Zeitraum zu sein. Man kann auf offenen Rechnungen sitzen, Nein ist eventuell Ja, und Verena Pooth wird normal. Da freut sich nicht nur Franjo auf die Nacht, die alles in Ordnung bringt. Am Morgen danach bezahlt er seine Gläubiger, Verona ist total gaga, und Franck Ribéry haut ab aus Bayern, weil Rummenigge nicht weiß, was ihm aus dem Maul rinnt, wenn man ihm ein Mikrophon hinhält. Das sind vermutlich Spätfolgen der vielen Kopfbälle. Bei den Pooths wird es wechselseitige Phrasen-Kontamination sein, wenn sie nicht normal sind, also tagsüber.

Am späten Nachmittag saß ich am Maschsee im dicht bevölkerten Biergarten, trank eine Cola, rauchte, schrieb an diesem Text, guckte mir die Leute an und sah hinaus auf den See, wo die Fontäne in den blauen Himmel schoss und zu einem prächtigen Regenbogen zerstäubte, der mal in allen Farben erstrahlte, mal vom Wind wie eine schüttere bunte Fahne über den Maschsee geblasen wurde. „Am Ende des Tages“ hörte ich da nicht, denn ein albernes verbales Ballettröckchen und ein Biergarten vertragen sich nicht. So konnte ich gemütlich dasitzen, obwohl am Tisch nebenan drei Frauen ohne Feuerzeug in mir den Herrn des Feuers gefunden hatten. Erneut dachte ich, dass die diversen Krisen unter der Maisonne noch recht gut zu ertragen sind. Allerdings klingt ja die neumodische Phrase „am Ende des Tages“ schon irgendwie apokalyptisch.

Trotzdem: Lobe am Abend den Tag (Spruchweisheit aus der Edda).
Das habe ich jetzt getan.

Teppichhaus-Musiktipp: Empire of the sun; We Are The People

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