Abendbummel online – Fahren, Fragen, Stehen, Rollen

Es ist nicht alles flach im Flachland, no Sir. Wenn du beispielsweise von Hannover-Linden der Badenstedter Straße folgst, dann wird sie am Ortsrand von Hannover zur Lenther Chaussee, und die führt längs über den Benther Berg. Dieser bewaldete Hügel ragt bis auf 170 Meter hinauf in den Himmel und erstreckt sich auf etwa zehn Quadratkilometer. Am Beginn des Benther Bergs bog ich nach links ein auf einen Waldweg und fuhr an seiner Flanke entlang. Der schmale Weg zieht in einem Bogen um die Anhöhe und gibt den Blick frei auf Felder, Wiesen – und auf einen weiteren Berg, nicht ganz so groß wie der Benther Berg, aber fast so hoch. Über seine steilen Hänge führen gewundene Straßen, und auf einer ist mausklein ein gelbes Müllfahrzeug zu sehen. „Das ist aber eine stattliche Halde Zivilisationsdreck“, dachte ich. „Da bildet sich Hannover in Müll ab.“ Eigentlich müsste jeder Hannoveraner mal hinfahren und sich das ansehen. Das ist kein Luftkurort, doch sein Anblick ist heilsam. Da kann man sich glatt über Müllverbrennungsanlagen freuen, denn gäbe es sie nicht, wären unsere Großstädte irgendwann von stattlichen Hügelketten aus Müll umgeben.

Bald verbreiterte sich der Weg, und ich gelangte in den Ort Benthe. Er liegt abseits von Durchgangsstraßen und wirkt deshalb ziemlich verschlafen. Ich stieg vom Rad und betrat einen lauschigen Dorfladen, in dem so ziemlich alles zu bekommen ist. Allein das Getränkeangebot schien mir ein wenig einseitig. Da war nur eine große Weinabteilung in einem eigenen Raum links der Kasse. Die war verwaist. Es dauerte eine ganze Weile, bis wie von ungefähr der in sich gekehrte Ladenbesitzer erschien, um seine Weinflaschen zu liebkosen. Ich musste ihn von der Seite anquatschen: „Haben Sie auch noch andere Getränke außer Wein?“
„Ja, doch!“, sagte er, und wies mir einen versteckten Gang hinter der Weinabteilung, wobei er sich noch dafür entschuldigte, dass mir seine ungewöhnliche Ladenaufteilung soviel Ungemach bereitet hatte. Dann fragte ich ihn, wie ich denn am besten über den Benther Berg fahren könnte, um auf der anderen Seite wieder nach Hannover zu fahren. Das schien er nicht ganz zu verstehen, denn er riet mir, oben am Waldrand entlang zu fahren. Vermutlich dachte er, eine Fahrt über den Benther Berg sei ohne Bergführer nicht zu machen.

Allerdings muss ich zugeben, dass es schon zum Waldrand verflucht steil hinaufging. Und just, wo der Anstieg richtig giftig wird, da hat er nur noch grobes Kopfsteinpflaster. Ich musste aus dem Sattel, und selbst dann bekam ich die Pedale kaum noch rund. Das machte mir richtige Heimatgefühle, obwohl ich einräumen muss, dass ich in ganz Aachen und Umgebung niemals über so grobe Wackersteine gefahren bin wie am Benther Berg. Solch mörderische Kasseienstroken findet man sonst nur in Belgien auf den Hellingen der Flandernrundfahrt, auf dem gefürchteten Oude Kwaremont, dem Koppenberg und der Muur van Geraardsbergen, wo das Peleton manchmal stillsteht, und die Fahrer wie Dominosteine umfallen.

Benther-Berg

Weiter fuhr ich den Waldsaum entlang über einen auf und ab schwingenden Waldweg. In jedem Wellental zeigten mir tiefe Furchen im aufgeweichten, schwarzen Waldboden, dass ich noch auf der richtigen Strecke war. Irgendwann gab der Wald mich wieder frei, und ich fietste frohgemut durch die Sonne Richtung Hannover.

Guten Abend

(Bilder für die Gif-Animation: Google Earth)

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