Abendbummel online – Mitteilungsbedürftige Fackelsnasen

„Ein Mann, der zur Zeit vor Kraft kaum gehen kann“, wurde im Fernsehen angekündigt, „Guido Westerwelle.“ Da rettete mich die Fernbedienung nicht, denn nebenan trat Roland Koch vor die Mikrophone. Ich ließ ihn aber nichts sagen. Derzeit mag ich gar nichts von solchen Leuten wissen und gehe auch nicht vor die Tür. Letzten Samstag nämlich fing ich mir eine neue Erkältung ein, und das, obwohl ich noch Rekonvaleszent war. Das geschah vermutlich im Supermarkt, in dem die Leute die Lebensmittel rundum behusten, weil sie den Einkaufswagen mit beiden Händen schieben müssen. Die fehlende Hand ist natürlich nur ein Vorwand, denn eigentlich handelt es sich beim ungehemmten Schnäuzen, Prusten und Husten um eine archaische Form der Mitteilung. Irgendwann in grauer Vorzeit haben Viren und Bakterien nur jene Wirtsträger überleben lassen, die das Bedürfnis haben, auch die übelste Pestilenz mit anderen zu teilen. Auf diese Weise wurde der Mensch zum Sozialwesen.

An der Kasse stand
ein, mit Verlaub, hässlicher Mann, und derweil sein Einkauf gescannt wurde, schimpfte und fluchte er in sein Handy. Ich kann zwar kein Russisch, doch seine heftige Mimik ließ ausschließen, dass es sich um Liebesgeflüster handelte. Gekauft hatte er sechs Flaschen Wodka im Pack, drei einzelne Zitronen und noch mehr Schnaps. Mehrmals trat er einige Schritte weg und rannte im Kreis, weil er ausreichend Platz zum Blaffen und Gestikulieren brauchte. Die in der Schlange warteten ergeben, und auch die Kassiererin sagte lieber nichts. Endlich zog er mit der linken seine Börse aus der Gesäßtasche, klappte sie auf, fingerte einen Hunderter hervor und warf ihn gleichgültig aufs Förderband, derweil er weiter ins Handy brüllte. Sein Umgang mit Geld schien mir irgendwie bezeichnend, denn wer es mit seiner Hände Arbeit verdienen muss, geht achtsamer damit um. Da wollte ich auch gar nicht wissen, wohin der Wodka wohl getragen würde und was die Zitronen erzählen könnten, bevor sie ausgequetscht werden würden.

Andererseits: Was gehen mich brüllende Russen an, die mit Geld um sich werfen, ein gepimptes Guidomobil mit ner 18 auf den Schluppen oder ein brutalstmöglicher Aufklärer mit Lügennase. Die haben in meinem Leben gar nichts zu suchen. Am Ende krieg ich noch einen Handwaschzwang.

Guten Abend

Dieser Beitrag wurde unter Teppichhaus Intern abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

13 Kommentare zu Abendbummel online – Mitteilungsbedürftige Fackelsnasen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.