4. Interaktive Lesenacht – Drei – IN ARTE VOLUPTAS

Drei

Guck mal an der Fassade hoch. Das alte Zeitungsgebäude hat einen interessanten Wahlspruch unter dem Wappen. Ja, es heißt: IN ARTE VOLUPTAS – In der Kunst liegt das Vergnügen. „Voluptas“ ist ein wohltönendes Wort, wegen der drei verschiedenen Vokale. Und die Konsonanten drumherum verlangen, dass man den Mund ordentlich bewegt. Das deutsche „Vergnügen“ kannst du einfach so dahinnuscheln. Das ist schon über die Lippen gerutscht, bevor du überhaupt was von der Lustbarkeit gemerkt hast. Ja, du hast Recht, „Vergnügen“ ist immer noch besser als „Spaߓ. Für das lange A muss man nur einmal das Maul aufsperren, was irgendwie ein bisschen debil aussieht. Darum schreibe ich es am liebsten mit drei S statt Eszett. Dann dauert der Spasss ein bisschen länger, ohne dass man sich dabei zum Narren macht. Ja, natürlich ist das müßige Sprachbetrachtung, aber zum künstlerischen Vergnügen braucht man ja Muße. IN ARTE VOLUPTAS ist übrigens das Motto einer Vereinigung, die sich Schlaraffia nennt. Die weltweite Gesellschaft, gegründet am 10. Oktober 1859 in Prag, hat sich der Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor verschrieben. Schlaraffe soll vom mittelhochdeutschen Wort „Slur-Affe“ abgeleitet sein, was „sorgloser Genießer“ bedeutet. Vom Verein stammt das launige Wort Benzinross, und da würde ich mich nicht wundern, wenn er auch die Wörter Stahlross und Drahtesel in die Welt gesetzt hätte. Es gibt die Schlaraffia übrigens immer noch, obwohl die Nazis sie verboten hatten. Von Freundschaft, Kunst und Humor verstanden die Nationalsozialisten wenig.
Verlagshaus

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Jedenfall hat dieses Gebäude einmal die Redaktion einer Wochenzeitschrift beherbergt. Im Erdgeschoss standen die Druckmaschinen, und im Anbau zum Park hin war die Setzerei untergebracht. Seit dem Ende der 60er Jahre steht alles leer. Die Bleischriften sind verschrottet worden, und die Maschinen sind abgebaut. Es heißt, sie seien in die Innere Mongolei verkauft worden. Nein, das war nur ein Spasss. Keiner weiß, wo die hin sind. Aber das Zeitschriftenarchiv ist noch da. Und darin hat Coster etwas durchaus Ungewöhnliches und vielleicht sogar Verstörendes entdeckt. Du kennst doch Jeremias Coster, diesen dubiosen Professor für Pataphysik an der Technischen Hochschule. Er übertreibt manchmal. Immerhin hat er uns den Schlüssel zur Pforte besorgt, und so können wir uns mit eigenen Augen davon überzeugen, was es mit den Archivfunden auf sich hat.

=> Vier

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