Teppichhaus intern – Östlich von Westen liegt die Mitte

Bitte-den-Hasen-nicht-jagen

„Die Ereignisse nach unserer Heimkehr überschlagen sich“, stand in einem Manuskript für ein Jahrbuch, das ich zusammen mit einem Kollegen herausgeben wollte. „Die Ereignisse (…) überschlagen sich“, das kam uns vor wie ein alberner Fanfarenstoß, der den dösenden Leser aufrütteln soll, damit er weiß: Ab jetzt muss ich mit der ganzen Aufmerksamkeit lesen, die ich aufbringen kann. Die Ereignisse werden eventuell nicht mehr warten, bis sie an der Reihe sind, sondern ungestüm heranstürzen, so dass man fürchten muss, das dritte Ereignis wollte das zweite oder sogar das erste überholen und große Verwirrung stiften.

Das Jahrbuch erschien 1994. Gemessen am heutigen Leben waren die frühen 90er Jahre eine beschauliche Zeit, denn die wechselseitige Fernkommunikation lief noch über Festnetz-Telefon, Faxgerät oder Sackpost. Das gab allen gesellschaftlichen Vorgängen einen gemächlichen Takt und sicherte die korrekte Ereignisabfolge. Damals war auch nicht abzusehen, welche Dynamik das World Wide Web (WWW) entwickeln würde. Dann kamen Mobilfunk, E-Mail und Internetkommunikation, und aus war es mit der Gemütlichkeit. Innerhalb weniger Jahr nahm der Alltag ein bislang ungeahntes Tempo auf. Heute haben wir uns beinahe daran gewöhnt, dass die Ereignisse in immer dichterer Abfolge auf uns einstürmen und sich überschlagen, wie sie gerade lustig sind.

Seit einigen
Jahren hechele ich dem Zeitablauf hinterher. Wenn ich gerade im Oktober angekommen bin, ruft man ringsum: „November ist da!“ und steht schon mit einem Bein im Dezember. Da fällt es schwer, die innere Ruhe zu wahren, denn irgendwie muss man ja mithalten bei diesem irrwitzigen Hasenrennen. Heute ist schon morgen, und morgen, kaum zu glauben, besteht das Teppichhaus drei Jahre. In den letzten beiden Jahren habe ich aus diesem Anlass je eine Lesenacht veranstaltet, und was jetzt? Die Ereignisse sind durcheinander gekommen, haben Marschordnung und Bodenhaftung aufgegeben und fliegen mir hurtig um die Ohren. Im September überraschte mich ein nächtlicher Wassereinbruch, was den Ausschlag gab für den Entschluss, mit dem Teppichhaus umzuziehen. Letzte Woche hielt ich mich wie so oft in den letzen eineinhalb Jahren in Hannover auf. Ich hatte der Hausbesitzerin meinen Schlüssel gegeben, weil sie die Decke „aufarbeiten“ wollte, und als ich gestern zurückkehrte, war meine Wohnung fast komplett renoviert und sogar ein bisschen umgebaut. An der Tür hing ein Zettel, auf dem stand:

„Lieber Herr van der Ley, treten Sie ein in Ihr neues Reich! Hier können Sie sich erholen und Urlaub machen!“ (…) „Nun lassen Sie die Seele baumeln, und wir wünschen Ihnen (und uns) ein schönes Wochenende.“

Leider konnte aus dem Seelebaumeln nichts werden, denn mit dem Öffnen der Wohnungstür purzelten die in Aachen angestauten Ereignisse auf mich ein. Nun hatte ich aber aus Hannover ebenfalls Ereignisse mitgebracht, so dass ich jetzt in einem hübschen Ereignischaos sitze, das sortiert werden will. Zum 15. Dezember 2008 will ich nämlich samt Teppichhaus nach Hannover ziehen, denn ich habe dort mit ihrer kompetenten Hilfe eine schöne, lichte Wohnung gefunden, die meiner jetzigen ähnelt, allerdings nicht an einer Güterbahnlinie liegt. Dann hat das Pendeln der Seele zwischen Aachen und Hannover ein Ende, und es kehrt wieder mehr Kontinuität ins Teppichhaus ein.

Drei Jahre Teppichhaus Trithemius in Aachen sollen nicht einfach vorbeirasen. Daher lade ich alle Teppichhauskunden ganz herzlich zu einer interaktiven Aachen-Abschieds-Lesung ein. Sie beginnt am Samstag, dem 15. November gegen 20:20 Uhr (nach der Tagesschau) und endet irgendwann in der Nacht zum Sonntag. Und ich verspreche, es wird kein Hasenrennen. Wir halten inne und lassen die Seele baumeln.

Beste Grüße
Trithemius

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