Abendbummel online – XXL-Raffen

Allzuviel-ist-ungesundAuf dem Aachener Markt sind die meisten der Verkaufsstände schon abgebaut. Eine kleine Kehrmaschine kurvt zwischen den restlichen Ständen umher und frisst Gemüsereste, Papier und sonstigen Dreck. Angestellte der Cafes tragen bereits Stuhlstapel heraus, um den Markt in Besitz zu nehmen, wenn die Wagen endlich weg sind. Es riecht nach Fisch. Vor einem bereits leer geräumten Verkaufswagen steht ein Marktverkäufer, hat die gereckten Arme auf der Glastheke und hält die Frau hinterm Tresen auf. Er muss sich etwas von der Seele reden: „Und dann hätt dä ein Schnitzel jejessen und mich viermal nach Kartoffeln gefragt. Viermal! Viermal Kartoffeln! Viermal!“ Das ist wirklich ein ordentlicher Nachschlag. Doch ungewöhnlich ist diese Verfressenheit nicht. Ein Test bei Google bringt etwa 40.500 Treffer auf die Eingabe: „Essen bis der Arzt kommt.“

Auf der Internetseite gutefrage wird die gute Frage gestellt: „Was haltet ihr von den Riesenportionen in bestimmten Restaurants?“

manu1979 schreibt: „Habe selber mal in einer Wirtschaft bedient, wo wir auch solche XXL-Schnitzel angeboten haben. Es gab Leute, die die 2-3 großen Schnitzel mit Beilagen und Salat ohne mit der Wimper zu zucken weg geputzt haben. Ich persönlich habe mit der normalen Portion schon meine Probleme gehabt. Für mich ist das nichts.“

Ein Dr Love antwortet: „ist doch witzig, vor allem wenn das ganze „wettcharakter“ hat. wer es schafft aufzuessen zahlt nix! ansonsten kann man es sich einpacken lassen und die nächsten tage eben schnitzel essen. bisserl merkwürdig ist das allerdings schon, wenn man bedenkt, dass am anderen eck der welt menschen verhungern…

Zu einem derartigen Wettessen lädt ein XXL-Restaurant in Homburg so: „Im Haus Waldhof in Homberg lautet das Motto nicht zu unrecht ‚megaessen‘. Im Haus Waldhof gibt es XXL Essen satt. Angefangen ganz klassisch beim XXL Schnitzel über XXL Burger und XXL Schweinelende bis hin zum absoluten XXL Hammer dem XXL Schwert in Flammen. Beim XXL Schwert in Flammen bekommt mann einen echten Degen bestückt mit 1500 gr. purem XXL Fleisch. Auch für viele Interessant ist vielleicht die XXL Wette. ‚Wer es schafft innerhalb von 90 Minuten ein XXL Gericht zu verputzen zahlt keinen cent, wer es nicht schafft, nun gut der zahlt das doppelte‘.“

Überall wo es strenge
Winter gibt, sind die Menschen vermutlich genetisch geprägt zu raffen. Unsere Vorfahren hielten auf gute Vorratshaltung, denn es war ja nie gewiss, wie lange man in der dunklen Jahreszeit ausharren musste und welche Entbehrungen drohten. Drum war es auch hilfreich, sich in Zeiten des Überflusses eine ordentliche Fettschicht anzufressen oder besser noch, sich andere tributpflichtig zu machen. Derartige Prägungen sind schwer loszuwerden und die daraus folgenden Mechanismen des Unmaßes wirken bis heute nach. Das gilt nicht nur für Fressen und Saufen, sondern für das Raffen jeglicher Art. Es steckt einfach im Blut.

alles-alle

Auch wer es schafft, ein XXL-Gericht zu verschlingen, wird am Ende „das doppelte“ bezahlen. In der Gastronomie scheint man die DM-Preise eins zu eins in EURO überführt zu haben. Und die Benzinpreise haben sich sogar nachweisbar fast verdoppelt. 1999 kostete Benzin 1,60 DM, im August 2008 etwa 1,53 Euro. Da ist es verständlich, dass der Mann viermal Kartoffeln nachgefragt hat. Und eigentlich war er noch recht bescheiden, denn die wirklich großen Raffer schaden dem Marktverkäufer viel mehr. Man sieht die großen Fresser nur nicht, denn sie tummeln sich auf den Finanz- und Rohstoffmärkten und raffen nicht nur Kartoffeln und Schnitzel, sondern spekulieren mit allem, was der Erdball hergibt. Die kleinen Gierhälse ahnen, dass schlechte Zeiten kommen, aber die XXL-Gierhälse wissen es. Sie verdienen schließlich an der Verelendung des Planeten.

Guten Abend

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