Teppichhauslexikon – Straßenweisheiten

Drei Jungen unterhalten sich lauthals, queren die Fahrbahn und laufen mir fast ins Rad. „strassen weisheiten!“ ruft einer und dann noch einmal mit Nachdruck: „strassen weisheiten!“ Welche Straßenweisheiten? Was besagen sie, wozu sind sie gut? Sichern sie das Überleben auf der Straße? Wie kommt es dann, dass ich den Jungen beinah umgefahren hätte? Ihm ging es offenbar nicht um Verkehrsregeln. Was also sind Straßenweisheiten? Eine kurze Internetrecherche zeigt unterschiedliche Bedeutungen. Auf einer Mallorca-Ratgeberseite steht:

1) „Sie bevorzugen lieber Inselerkundungen mit dem Mietwagen, dann hier ein paar Straßen-Weisheiten.
* Hupen ist kein Drängeln, es bedeutet nur „Hey, ich bin hinter Dir, tue nichts unüberlegtes“.
* Das mitten auf der Straße anhalten und mit Bekannten unterhalten ist „normal“. Haben Sie eine Minute Geduld, dann fangen Sie an zu hupen. Sollten Sie vorher hupen, kann es sein, dass das Gespräch noch länger dauern wird.
* Blinken ist hier nicht so IN, meistens tun die Mallorquiner das nicht. Grund: Geht ja niemanden was an, wo sie hin wollen.“

Weitere Belegstellen aus dem Internet lassen jedoch vermuten, dass das Wort dem Sinnbereich der Gangsta-Rapkultur entstammt:

2) „Hatebreed sind in dieser Beziehung bei weitem auch keine Waisenknaben, jedoch machen sie keinen auf Gangsta, der ohne seine Knarre keine zwei Minuten in seinem Viertel überleben kann, sondern knallen einem einfach simple Straßen-Weisheiten um die Ohren.“

3) „Commandant Und Zerstörer DonCuz und Black Jack der Gunowe erteilen unterricht mit strassen weisheiten; alles wird gebangt Aachen City Gang Bang“

Im Duden steht „Straßenweisheiten“ nicht. Es ist offenbar noch ein Wort der Straße, und so differiert auch seine Schreibweise: Straßenweisheiten, Straßen-Weisheiten, strassen weisheiten. „strassen weisheiten“ verstößt am stärksten gegen die Orthographieregeln, und daher passt es zu den speziellen Sitten der Straße in Vierteln, die man als Fremder bei Nacht meiden sollte, wenn man nicht „gebangt“ werden will. Bei der Schreibweise „Straßen-Weisheiten“ handelt es sich um ein Koppelwort. „Straße“ und „Weisheit“ stehen isoliert, vermutlich, weil sie naturgemäß nicht zusammengehören. Hier ist ein Bindestrich nötig, im Zitat 1) ist das der Ratgebertext. Wenn es hingegen besonders fein, feiner oder sogar „vom feinsten“ zugehen soll, dann ist das orthographisch korrekte „Straßenweisheiten“ angebracht:

4) „Spaß, Humor, Satire und Comedy vom feinsten! Es gibt echt kein Thema zu dem „Die Helden der Mudderstadt“ keine Meinung hätten. Das sind echte Straßenweisheiten gepaart mit der original Berliner Bauernschläue. Na da bin ick ja beruhigt, wa? Peilermann und Flow – schlimmer geht’s nimmer!“

StraßenweisheitNatürlich sind meine Ausführungen über Straßenweisheiten rein spekulativ. Vier Beispiele sind keine empirische Grundlage. Doch man kann daran sehen, dass es gut ist, verschiedene Schreibweisen eines Wortes zu haben, denn sie erlauben eine stilistische Bedeutungsdifferenzierung. Es gibt offenbar viele Straßenweisheiten, je nach Geltungsbereich. Straßenweisheit ist Insiderwissen. Es wird überwiegend mündlich weitergegeben. Soweit dieses Wissen sich nicht konkret auf den Straßenverkehr bezieht, entstammt es der Universität des Prekariats.

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