Abendbummel online – Nachrichten aus dem Off

Zuse-lachtUnweit der Aachener Bordellstraße steht eine Springbrunnenplastik namens Bahkauv. Die Plastik erinnert an einen nächtlichen Aufhocker, den angeblich schon Pippin der Jüngere, der Vater Karls des Großen, bekämpft hatte, leider vergeblich. Das Bahkauv lauerte noch Jahrhunderte an den Aachener Bächen. Bei Nacht erschreckte es betrunkene Männer, sprang in ihren Nacken und ließ sich auf den Schultern tragen.

Vermutlich haben notorische Zecher sich das Bahkauv ausgedacht, um ein für allemal ihr spätes Heimkehren zu erklären. Denn dass es schier unmöglich war, auf den wackligen Beinen der Trunkenheit ein schweres Bachkalb zu tragen, musste selbst die erboste Ehefrau einsehen, zumal es gewiss nicht ratsam war, das Bahkauv mit nach Hause zu bringen. Kam ein vom Bahkauv Befallener auf die Idee, um Erlösung zu beten, machte sich das teuflische Untier immer schwerer. Allein von Fluch und Schimpf wurde es leicht und hob sich eventuell davon. Das erklärt, warum im Herzen friedliche Mannspersonen nach einer Zechtour leider fluchen und schimpfen müssen, wenn sie es nach Hause schaffen wollen.

Irgendwie fehlt mir das leise Jaulen der Lüftung meines alten Rechners. Es war einige Jahre das Begleitgeräusch aller Beiträge des Teppichhauses. Und wenn du sagst: „Och, die Texte gefallen mir aber nicht!“, dann sei so freundlich und berücksichtige, dass ein anhaltend maschinelles Sirren und Jaulen ganz und gar heimtückisch ist, denn es drückt aufs Gemüt, ohne dass der Niedergedrückte zu sagen vermag, woher ihm denn plötzlich ein Aufhocker in den Nacken gesprungen ist. Maschinell erzeugter Lärm ist die notorisch schräge Blechmusik des Alltags. Uns fehlen Ohrenklappen gleich den Augenlidern. Hier hätte die Evolution etwas nachzuholen, kommt aber in jedem Fall zu spät, denn bald schon werden Computerchips direkt ans Gehirn angeschlossen, so dass sich der Mensch jederzeit allen Lärm der Welt aus dem Internet in den Kopf holen kann. Das ist dann der postmoderne Aufhocker, ein Bahkauv, das im Schädel wohnt. Wer einmal derart mit dem globalen Dorf verkabelt ist, dem hilft weder Beten noch Fluchen.

Eine Frida Hockauf, geborene Kloß, Weberin im Volkseigenen Betrieb „Mechanische Weberei Zittau“, hat die Frida-Hockauf-Methode erfunden, eine in der DDR verwendete Methode zur Steigerung der Arbeitsproduktivität. Aufhocker fallen offenbar nicht vom Himmel, sondern werden von Menschen wie Frida Hockauf erdacht. Den größten und mächtigsten Hockauf erdachte Konrad Zuse, und das ganz ohne Rausch. Gestern wäre der Erfinder des ersten Computers 98 Jahre geworden, wenn er nicht 1995 verstorben wäre. Ahnherr Zuse vollendete seinen Z1 bereits 1938. Weitere Modelle folgten. Mein neuer Rechner ist einer der Urenkel. Er kommt ganz leise daher. Sein Lüfter ist kaum zu hören, und oft weiß ich nicht, ob er ausgeschaltet ist oder nur schlummert. Er ist eben ein heimtückisches Bahkauv, jederzeit bereit aufzuhocken und mich bei den Ohren zu dirigieren. Heute hat er mich zum Schreiben verlockt, obwohl ich eigentlich eine Pause machen will und muss, denn derzeit fehlt mir noch die Muße. Seltsam, ich war nicht einmal betrunken.

Guten Abend

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