Abenbummel online – Heißa, wir zünden Bärchen an

In der SF-Kurzgeschichte „Die Welt, die Dienstag war“ beschreibt der Autor Terry Carr eine überbevölkerte Welt, in der jeder Platz sieben mal belegt ist. Sechs Tage der Woche verbringt der Mensch dieser Welt im Tiefschlaf, an einem Tag lebt er ein völlig normales Leben. Der Protagonist lebt dienstags und verliebt sich in eine Schlafende von Mittwoch. Mit Hilfe eines Psychologen gelingt es ihm, sich in die Mittwochwelt versetzen zu lassen, wo er aber die Angebetete nicht mehr vorfindet, denn der ebenfalls in sie verliebte Psychologe hat sie nach Dienstag verlegen lassen.

Den-Eisbären-einheizen

Theoretisch kann das Gestern sieben Tage zurückliegen, ohne dass wir es wahrnehmen, wenn nur die ganze Welt so organisiert wäre. Sechs Tage zu schlafen und einen Tag zu wachen, da eilst du mit Siebenmeilenstiefel durch die Zeit. Dein Jahr hätte nur 52 Tage, und die Jahreszeiten dauerten knapp zwei Wochen. Die Feiertage jedoch würden seltener. Mehrmals hintereinander verpasst du Weihnachten und Neujahr.

Da wir noch in einer Siebentagewelt leben, erscheint uns die Abfolge der Tage als kontinuierlicher Jahreskreislauf. Innerhalb dieser Zyklen leben wir trotzdem in unterschiedlichen Zeiten. Wer ein neues Auto fährt, befindet sich zum Beispiel in der technologischen Gegenwart. In einem alten Auto durch die Gegend zu fahren, das bedeutet, in der technischen Vergangenheit zu leben. Denn die Technik prägt unsere Welterfahrung. Überhaupt sind wir umgeben von Dingen, die irgendwann in der Vergangenheit geschaffen wurden. Auf diese Weise dehnt sich die subjektive Gegenwart auf verschiedene Bereiche der Vergangenheit aus. Man könnte auch sagen, jeder von uns schleppt einen anderen Sack mit Vergangenheit hinter sich her.

Das gilt ähnlich für menschliche Kontakte. Da gibt es einen Menschen, den hat man schon lange nicht gesehen, und trifft man ihn plötzlich wieder, dann sind Jahrzehnte wie gestern. „No eye contact“, diese sinnvolle Verhaltensregel in Großstädten hat mich um den Blick der Dame im langen Mantel gebracht. Den hätte ich nämlich gern gesehen. Leider war ich schon vorbei, als die Botschaft an mein Ohr flog, freudig ausgerufen von einem Herrn:
„Dein Blick hat sich vierzig Jahre nicht verändert!“

Hatte man sich vierzig Jahre nicht gesehen und just heute auf dem Aachener Münsterplatz getroffen? Wie alt war die Dame, als sich ihm ihr Blick eingeprägt hat. Verstand sie es schon als Kind, derart vertrackt listig lustig verlockend zu äugeln, dass ihr Blick sich auf immer einbrannte? Oder waren die beiden sich einst begegnet, als sie in der Blüte ihrer Jugend stand, und alle Welt war ihrem Blick verfallen, gleich ob sie offen in die Welt schaute oder den Blick niederschlug, wenn sein erstes Funkeln ausgesandt? Dann wäre der herausposaunte Hinweis auf vierzig Jahre Blickgeschichte ein wenig problematisch. „Dein Blick ist noch immer so schön wie gestern!“, hätte er sagen können, denn war es nicht gestern, als man sich zuletzt begegnete?

Das obige Foto ist eine Botschaft für übermorgen, wenn das von uns veränderte Klima unter anderem den Eisbären den Garaus gemacht hat. Dezember 2007: „Heißa, wir brennen Eisbären ab!“

Für eine bessere Welt:
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