Eins zwei drei, hier kommt die Ordnungspolizei

Eins-zwei-drei

Ein Kreis alter Damen sitzt hinter mir um einen Cafétisch. Ich versuche auszublenden, was sie sagen, denn ich habe keine Lust auf das ewig selbstbezügliche Gerede gut situierter Kreise. Augenblicklich werde ich eines Besseren belehrt und bekomme ein Lehrstück in Geschichtsbewusstsein zu hören, denn eine der Damen entwickelt eine Gedankenfolge, die ich in dieser Weise noch nie gehört habe. Man muss wohl den Überblick und die Abgeklärtheit des Alters haben, um leichthin über Kaffeetassen und Sahnetörtchen hinweg sagen zu können:

„Früher war es die Sklaverei, dann die Leibeigenschaft, dann der Frondienst, dann der Arbeitsdienst, dann die Dienstverpflichtung und heute ist es der Ein-Euro-Job. Das ist immer das gleiche, heißt nur anders.“

Schade, dass man fremde alte Damen nicht einfach küssen darf. Zugegeben, was sie gesagt hat, ist reichlich polemisch, der Ein-Euro-Job ist keine Sklaverei im alten Wortsinne, und Ein-Euro-Jobber sind keine Leibeigenen ostpreußischer Junker. Trotzdem hat die Darlegung etwas Erhellendes: Es gibt eine Kontinuität des gnadenlosen Zugriffs der Mächtigen auf die Lebensgestaltung der Ohnmächtigen.

Nicht weit entfernt von Sklaverei sind zum Beispiel die Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Das jedenfalls sehen auch die Autoren der ARD-Sendung (SWR) so und titeln: „Die Lohnsklaven“, ausgestrahlt am Mittwoch, dem 25. April 2007, um 23.15 Uhr im Ersten. Zitat aus dem Beitrag:

„Zwischen zwei und vier Millionen arbeiten – nach unterschiedlichen Hochrechnungen – schon heute für Löhne, die das Existenzminimum nicht abdecken. Und das, obwohl sie es sich bequem machen und Hartz IV beantragen könnten. Diese Menschen sind oft hoch motivert, fleißig, aber auch verzweifelt darüber, wie es sein kann, dass man in Deutschland unter Umständen nicht mehr von seiner Hände Arbeit leben kann.“


Diese moderne Form der
Sklaverei ist nicht staatlich verordnet wie der Ein-Euro-Job. Hier schaut der Staat einfach zu und nimmt weiterhin billigend in Kauf, denn eine flächendeckende Untergrenze für den Stundenlohn werden wir mit dieser Bundesregierung nicht bekommen. In unserem Land herrschen beschämende Zustände. Sie widersprechen unserem Rechtsempfinden und dem Grundgesetz. Doch der Rechtsstaat hat bei den derzeit Regierenden nur wenige Fürsprecher. Da passt es, dass man Symptome bekämpft, schwarze Sheriffs aussendet, um die Auswüchse der Armut aus den Innenstädten fernzuhalten.

Man wird bald mehr von ihnen brauchen. Überwachung ist ein wachsender Arbeitsmarkt – er wächst mit der Armut, und wo er nicht von Steuergeldern finanziert ist, gehört auch er zum Niedriglohnsektor. Der Staat bespitzelt, und Arme überwachen Arme. Arme Republik.

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