documenta 12 – Kasseler braucht Kochmützen

Documenta-Leiter Roger M Buergel kleinAch, wie wunderbar die Zeiten, als Christiane Herzog als Gattin des damaligen Bundespräsidenten im ersten deutschen Fernsehen eine Kochsendung hatte und sich darin von einem Sternekoch mit dem passenden Namen Koch die Möhrchen schrabben ließ. Es war ungemein erfrischend, wie Christiane Herzog klarzumachen verstand, wo die Trennlinie verläuft zwischen Herrschaft und Dienstboten. „Herr Koch, die Kasserole, bitte!“

Schon der neureiche Trimalchio des römischen Schriftstellers Petron erfreut sich bekanntlich daran, dass sein Koch auf den Namen Schneid hört. So kann Trimalchio seinen Koch beim Namen rufen und gibt ihm gleichzeitig den Befehl, den mit Früchten gefüllten Ochsen aufzuschneiden. In diesem Sinne war Christiane Herzogs Wahl des Kochgehilfen Koch zwar nicht neu, und trotzdem nahezu genial. „Koch!“ das ist: Name, Berufsbezeichnung und Befehl in einem Wort. Sparsamer kann man seine Dienstboten nicht anweisen. Leider ist Christiane Herzog schon einige Jahre tot, und so ist da auch niemand mehr, der den kometenhaften Aufstieg der Köche bremsen könnte.

Doch so sehr die emporgekommenen Köche auch kochen, sotten und mit Pfannen jonglieren, in Sterneküchen, im Fernsehen und in Zirkuszelten, noch immer kriegen Millionen nichts in die Bäuche oder verenden sogar auf dem weiten Weg ins rettende Restaurant. Schrecklich ist zum Beispiel die Situation an der Costa Brava. 100.000 Hungrige jährlich versuchen einen Platz im Restaurant El Bulli zu ergattern, doch nur 8.000 Menschen können von Molekularkoch Ferran Adrià beköstigt werden. Das Schicksal der Abgewiesenen ist ungewiss.

An der Tafel des Ferran Adrià gespeist zu werden, das ist, wie man sich leicht vorstellen kann, schier unmöglich. Der documenta-Leiter Roger M. Buergel hat dieses Kunststück offenbar fertig gebracht und ist seither des Lobes voll. Und mehr noch, er wird in den nächsten hundert Tagen je zwei hungernde Dokumentabesucher auswählen, die sich kostenlos im Restaurant El Bulli satt essen dürfen. Leider hat Roger M. Buergel weder seinen Schneider noch seinen Friseur zu soviel Altruismus überreden können, weshalb er ihre Werke auch nicht zum Kunstwerk erklärt und auf Nachfragen gereizt reagiert: Das verstehe wohl „jeder, der alle Tassen im Schrank hat“.

Tretet Dada bei!

(Fotomontage: Trithemius 06/07)


Zirkus des schlechten Geschmacks

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