Abendbummel Online – Vom einfachen Finden

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Früher fuhr man einfach in Aachen auf die A44 und langte zum Beispiel problemlos in Düsseldorf an. Vor einiger Zeit haben die Braunkohlebagger ein Teil der A44 weggerissen. Auch das Autobahnkreuz Neuss-West wird umgebaut. Man kann sich an der neuen Trassenführung bei Jackerrath recht einfach verfahren wie auch in der Berg- und Talfahrt provisorischer Lösungen am Autobahnkreuz Neuss-West. Bei der Rückfahrt passierte uns das dreimal, denn die Beschilderung ist falsch und irreführend.

Das erste Mal verfuhren wir uns in Düsseldorf. Nebenmann hat nämlich kein Navigationssystem in seinem alten Mercedes. Er befuhr kurzer Hand ein Stück Fahrradweg, um die richtige Abzweigung in den Rhein-Ufer-Tunnel zu finden, der übrigens unterhalb der alten B1 verläuft. Dort kann man inzwischen am Rhein entlang promenieren.

Sich selber einen Weg zu suchen, kommt irgendwie aus der Mode. Genauso ist das selber Schauen in den Museen längst abgelöst durch das akustisch gelenkte Sehen. An der Kasse der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen schimpfte Nebenmann vor der unschuldigen Kassiererin über die Umbenennung des Kunstmuseums in „K 20“:
„K20! Was soll das sein, da komme ich mir ja vor, als sollte ich einen Berg besteigen! Das hier ist die ‚Düsseldorfer Kunstsammlung‘!“

Die Haussolidarität verleitete die Frau, spitz zu widersprechen und die Bedeutung von „K20“ zu erklären. Ich habe nicht zugehört. Wir waren wegen der „Francis-Bacon-Ausstellung“ gekommen, und ich konnte schon die Leute sehen, wie sie vor den Bildern standen und an Ohrhörern lauschten.

Welch alberne Form der Kunstbetrachtung. Es ist „Kunstrezeption“, geboren aus dem Bildungsdünkel. Wie sich manche Leute den Weg von ihrem Navigationssystem weisen lassen, so lassen sie sich auch erklären, was sie auf den Bildern sehen. Vielleicht lässt sich nicht vermeiden, dass der Selberseher gedanklich mal auf den Fahrradweg gelangt, doch die Ohrhörerlauscher sind ganz gewiss auf dem Holzweg.

Ein kraftvoller Maler wie Bacon muss dich packen. Wenn du dich auf die Ausstrahlung einlässt seiner wild-barocken fleischigen Figuren inmitten geometrischen Linien und Farbflächen, dann packt es dich. Lässt du dir aber erklären, was du siehst und was es bedeutet oder was man damit verbinden könnte, dann lauschst du dem Gerede eines Kunstwissenschaftlers. Er erklärt dir das Bild, wie er es versteht. Wie willst du je zu eigenen Erfahrungen gelangen, wenn du dich immer an der Hand führen lässt wie ein unmündiges Kind?

Die bildungsbeflissenen Museumsbesucher wissen es nicht anders. Sie lassen sich wohlbehütet führen von der Wiege bis zur Bahre. Für alle Grundbedürfnisse und Wechselfälle des Lebens bietet man dem postmodernen Mensch probate Hilfe. Die Dienstleistungsgesellschaft drängt sich an allen Ecken und Enden auf. Wer es sich leisten kann, nimmt an, was zu kriegen ist. Warum ahnungslos herumraten, wenn da einer aus dem Ohrhörer dir alles bestens erklären kann?

Bacon wird an den Wänden oft zitiert. Nicht ein Zitat ist wirklich wichtig. Es nutzt nämlich ebenfalls nichts, wenn der Künstler selbst dir seine Kunst erklärt. Dann geht es ja nur um seine Sicht. Betrachten wir Kunst, um uns die Meinung dazu von anderen sagen zu lassen?

Es führt von dort kein
rechter Weg zum Kunsterleben. Eines der wichtigsten Merkmale der Kunst ist ihre Offenheit für Assoziationen und Interpretationen eines Betrachters. Wer sich im Museum die Bilder erklären lässt, wird diese Offenheit nie erfahren. Das würdigt die Kunst herab auf die Ebene der Werbegrafik.

Man muss nachspüren, was sich in einem tut, wenn man Bilder betrachtet. Offen sein, selbst betrachten, reagieren und eigenständig bewerten, darum geht es.

Im Museumsladen habe ich mir diese Ansichtskarte gekauft, eine Karteikarte von Joseph Beuys:
Joseph Beuys_Wer nicht denken will fliegt rausGuten Abend

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