Abendbummel Online – Costers nackte Hand

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Er habe seinen grünen Daumen verloren, sagte Coster, der berüchtigte Professor der Pataphysik an der Technischen Hochschule Aachen. Ich sah erschrocken auf seine Hände. Die Daumen waren noch dran.

Seine Hanfpflanzen „Kirchspieler White Whidow“ seien ihm eingegangen. Und er vertrete die Theorie, das Befinden einer Pflanze, mit der ein Mensch sich in Interaktion befinde, gebe Auskunft über dessen Seelenzustand. Daher sei er ein wenig beunruhigt. Es sei ein Berufsrisiko damit verbunden, Pataphysik zu lehren. Man schramme gezwungener Maßen am Wahnsinn vorbei. Immer an der Grenze entlang, sehe man aus der Alltagswelt den Irrsinn und aus den nur unscharf berechenbaren Randzonen den Wahnsinn winken. Deshalb müsse er sich wappnen. Gestern habe er sich aufs Rad gesetzt und sei hinter die niederländische Grenze gefahren, wo zwei Coffeeshops lockten.

Da habe ihn kurz vor der Grenze ein Polizeiauto überholt. Als er am alten Zollhaus vorbeifuhr, sah er das Polizeiauto versteckt geparkt.

Coster schloss dreist sein Rad an den Laternenmast, genau vor dem Eingang des Coffeeshops, und ging hinein. Der Mann im Coffeeshop habe ihn gewarnt. „Passen Sie auf, die Polizei wartet hinter der Grenze!“

Er, Coster, habe gesagt, deshalb werde er einen anderen Rückweg nehmen. Unter den Augen der Polizei stieg Coster auf sein Rad und nahm einen Weg, der auf der niederländischen Seite entlang der Grenze führt. An seinen Händen trug er leuchtend blaue Handschuhe. Da habe er sich gedacht, diese Handschuhe seien ein Erkennungsmerkmal, ein Augennagel für ein Polizistenauge. Deshalb habe er die Handschuhe ausgezogen und sie in die Jacke gesteckt. Denn er habe sich denken können, dass die deutschen Polizisten von ihrem Auto aus in Kontakt mit den niederländischen Kollegen stünden. Dazu brauche man ja heutzutage keine Telegraphentürme mehr.

An einem Wirtschaftsweg übertrat Coster die Grenze wieder. Dieser Wirtschaftsweg führt etwa 2 Kilometer schnurgeradeaus durch die Felder. Er war schlammig und stand voller Pfützen. In der Ferne sei plötzlich ein Scheinwerferpaar aufgetaucht. Da habe Coster gedacht, „wenn das mal kein Polizeiauto ist.“

Für einen Moment war er beruhigt, denn das langsam größer werdende Auto habe, aus dem Dämmer heraustretend, weißrot geleuchtet. Doch dann habe er gesehen, dass ihm in voller Wegbreite ein großes niederländisches Polizeiauto entgegenkam.

Coster blieb ruhig und radelte gelassen auf das Auto zu. Es hielt an, als man Augenkontakt hatte. Coster habe seine nackte Rechte gehoben und dem Polizisten freundlich in die Fahrerkabine gewinkt. Der habe seinen Gruß erwidert und ihn vorbeigelassen.

„Hallo, duitse Kollegas. Ik heb kein Mann mit blauen Handschoenen gesehen!“

Ja, Trithemius, sagte Professor Coster stolz. Mit ein bisschen Kenntnis in Wahrnehmungspsychologie kann man im Leben recht sicher vorankommen, auch wenn man von der Grenze aus ins verwirrende Dämmerlicht des Landesinneren fährt.

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