Abendbummel Online – Dreimal aufsagen

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Bei halbem Sonnenschein bin ich losgefahren, in der trüben Dämmerung zurückgekehrt. Ich habe einen Studienfreund besucht, den ich Jahre nicht gesehen hatte. Der hat mir dann gleich eine interessante Lektion verpasst, die mir bei der Rückfahrt das Gemüt verdüsterte, weil ich seine Worte bestätigt fand.

Er stand hinter seinem Haus auf dem Gerüst, als ich kam, und hatte gerade Mörtel angerührt. Denn er war dabei, einen Teil der Rückfront zu verklinkern.

„Ruinenbaumeister!“, sagten wir beide wie aus einem Mund. „Der Ruinenbaumeister“ ist ein phantastischer Roman von Herbert Rosendorfer. Wir hatten einmal zusammen ein Seminar über „Phantastische Kunst“ belegt, und seither waren wir einem Dozenten verfallen, der ein starkes Interesse an allen Aspekten der Phantastik hatte, womit er uns infizierte. Dieser Dozent hatte uns den Ruinenbaumeister empfohlen.

Mein Freund hat an seinem Hausbau während des Studiums begonnen. Immer wenn er ein bisschen Geld hatte, baute er ein Stück weiter. Er hat das Haus komplett mit eigenen Händen errichtet. Doch es ist eben nach einem Vierteljahrhundert noch immer nicht ganz fertig. Wo es fertig ist, sieht es hübsch aus. Es steht im Hang auf einem hohen Sockel aus Bruchsteinen und hat schöne große Klinker.

Ich sagte, er könne wirklich stolz auf sein Haus sein, zumal er es ganz allein gebaut habe.

„Bis auf die Elektrik“, sagte er. Stolz wolle er trotzdem nicht sein. Da falle ihm immer der Spruch ein: „Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz!“

Auf dem Rückweg rollte ich mit meinem Rad ein Stück durch eine Aachener Villengegend. Eine Frau in einem BMW-Cabrio brachte mich übel in Bedrängnis, weil sie nicht warten wollte, einem Hindernis auszuweichen. Da dachte ich, wie seltsam hart und unachtsam wird der Mensch, wenn er eine gesellschaftliche Position erlangt, der er geistig nicht gewachsen ist.

Passend zu diesen Gedanken dämmerte es. Ich betrat die Konditorei der Gegend, in der die besseren Herrschaften kaufen. Da grüßte man mich kaum. Und als ich dran war, betrat eine herrschaftliche Dame die Konditorei und begann sofort mit der Ladenbesitzerin zu schelten.

„Ich habe es die Frau Soundso extra dreimal aufsagen lassen, und jetzt hat sie doch nicht das richtige mitgebracht!“, sagte die Dame.

Wirklich, ich war nicht etwa unsichtbar, denn ich konnte mich sogar im Schaufenster spiegeln.

Dass die herrische Dame den Kopf ihrer Frau Sowieso als Speichermedium benutzte, statt ihr einen Zettel zu schreiben, ist alte Kunst der Herrschaften. Man muss dem Dienstmädchen jedoch eine wischen, während es die Botschaft hört, dann vergisst das dumme Ding sie auch nicht.

Guten Abend

Übrigens konnte mein Studienfreund mir nicht weiterhelfen, obwohl er nach dem gewünschten Foto gesucht hatte. Das Bild hätte ich hier gut gebrauchen können:

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