Abendbummel Online – Für einen Platz auf der Liste

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Mein Tabakhändler saß wieder auf seinem Hocker hinter der Theke und studierte die Bildzeitung.

„Ich hab’ mal nachgeguckt, ob Sie auf der Liste der 10 reichsten Männer stehen, aber Sie sind nicht dabei“, sagte er.
„Und was ist mit den Aldi-Brüdern?“, fragte ich besorgt.
„Platz neun und zehn.“

Wieso stehe ich nicht auf der Liste? Draußen beim Dom sinke ich traurig auf eine Bank und lasse den Blick über die Fassade wandern. Da ist ein Augennagel, eine dämonische Gestalt, aus Sandstein gehauen. Wer bist du? Was bist du? Verrate mir deinen Namen!

Herrgott, der Dämon bewegt sich! Er schaut mich an, öffnet sein Maul, und die Welt kippt zur Seite.

In meinem Herzen ist schmerzhafte Stille. Ich bin alt und einsam, umlagert vom Abschaum der Nutznießer und Schmarotzer, in ständiger Angst, man könnte mir nehmen, was mir gehört. Die schönsten Frauen, die wahnwitzigsten Spektakel, die Güter dieser Welt, sie öden mich an. Nächtens treibt der Dämon mich durch die Zimmerfluchten. Er hat mir eine Trense zwischen die Zähne geklemmt und reißt mir im Übermut den Schorf an den Mundwinkeln auf. Ich soll rascher gehen, keift er.

„Hab Nachsicht, o Herr. Du wirst fetter Jahr um Jahr!“
Noch immer verheimlicht er mir seinen Namen, doch ich ahne, wie der Hockauf heißt. Sein Name ist Gier.

Ungezählte Nächte raunte er mir eine Botschaft ins Ohr:
„Reuets trew rhem!“
„Reuets trew rhem!“
„Reuets trew rhem!“

Reuets trew rhem? Was heißt das?!

„Verdreh’ es und sag dem Plebs, dass du sein Los erleichtern willst. Doch es darf nichts kosten, hörst du?! Nicht einen Cent kannst du entbehren! Setz das eitle Vasallenpack darauf an! Die nutzlosen Esser mit ihren albernen Einser-Examen von Elitehochschulen, sie müssen sich etwas einfallen lassen, damit frisches Geld in die Kassen kommt. Das Geld der Hoffnungslosen und Gedrückten wollen wir. Ängstlich verwahrtes Kleingeld aus klammen Geldbeuteln klingelt besonders süß.“

Seltsam, ich war für einen Moment aus der Welt gerutscht. Jetzt ist alles wieder, wie es soll. Ich sitze auf einer Bank am Münsterplatz und betrachte den Dom. Auf dem Pflaster liegt ein Aldi-Prospekt. Es geht um die Mehrwertsteuer. Aldi will die Erhöhung übernehmen. Das ist hübsch doppeldeutig und insgesamt ein Meisterstück der Desinformation

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„Für alle betroffenen unten aufgeführten Artikel unseres Standardsortiments gelten auch nach dem 31.12.2006 die heute gültigen Preise!“

Dieses Werbe-Versprechen kostet nichts, sondern erlaubt schamlose Abzocke, ohne dass man Aldi des Wortbruchs bezichtigen könnte. Nur die Preise der aufgeführten Artikel bleiben stabil. Andere Preise wurden schon erhöht oder werden bald erhöht. Irgendwo muss das Geld für einen oberen Listenplatz schließlich herkommen.

Guten Abend

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