Lange tocht naar de laage landen met onbekende bestemming

Ein steifer Wind aus Südost blies mich nach Westen. Es wehte aus 135 Grad, um es nautisch zu sagen. Der Himmel blau, die Sonne warm, und nachdem ich über den Grenzbach gefahren war, knisterten Bucheckern unter meinen Reifen.

Im trockenen Laub der Kastanie bei der Furt warten die Kastanien wollüstig auf ihr Fallen. „Komm her, Wind“, flüstert der Baum. Gott, bin ich plötzlich müde. Unter der Kastanie müsste man auf dem Rücken liegen, hinaufschauen ins Laub, den blanken Himmel suchen. Die Lider würden schwer …

Besser nicht. Irgendwann fänden sie mich unter einem Haufen Kastanien.

Leider hatte ich nicht einmal einen kleinen Wunsch frei, als ich zwischen den Hecken den Anstieg nahm. Sonst hätte ich mir gewünscht, dass die beiden Frauen, die von oben kamen, nicht an Nordic-walking-Stöcken gegangen wären. Gut, sie hatten ihren eigenen Kopf. Doch gegrüßt habe ich sie nicht. Ich musste sowieso im Wiegetritt fahren, da konnte ich sie leicht ignorieren. Wenn jetzt auch junge Frauen im schwarzen Sportoutfit solch einen komischen Sport machen, dann geht bald die Welt im Wahnsinn zugrunde, das weiß ich jetzt.

Hinter dem einsamen Gehöft auf halber Höhe läuft der Weg vals platt. Er führt an Bäumen und Büschen vorbei. Ein Silo markiert den Weg. In einem solchen Silo hat sich der Schwippschwager meines braunjackigen Exkollegen zum Schlafen hingelegt. Der Schwippschwager muss ein seltsamer Mann gewesen sein, zu Hause im Dreck und Kot. Kam er aus dem Kuhstall, setzte er sich mit den schmutzigen Schuhen an den Küchentisch. Die hinteren Beine seines Stuhl hätten sich im Laufe der Jahre nach unten hin konisch verbreitert, sagte meine Exkollege, denn der Bauer pflegte dort den Kot von den Schuhen zu streifen. Soviel Naturnähe ließ ihn auch überall ein Bett finden. Wo er ging und stand legte er sich zum Schlafen hin. Einmal legte er sich unten ins Silo, wo er gewiss hochgeblinzelt hat in den runden Schacht. Um ihn herum hob sich der der Staub flimmernd in das dunkle Rund, und wonnig warm war das Silo. Unter solchen Umständen kommt der Schlaf rasch. Später muss sich von irgendwo oben ein Brocken Silage gelöst haben und herabgestürzt sein. Sie hat den Bauern unter sich begraben. Man fand ihn spät.

Rechts das Feld und drüben vor dem Waldrand das Buschwerk des alten Grenzgrabens, den sie irgendwann vor 1000 Jahren gegraben haben. Er führt kein Wasser, denn die Kuppe ist trocken. Knacken, Knirschen, Knistern, Wispern – im Herbst liegt der Weg voller onomatopoetischer
Wörter.

Es geht noch einmal steil eine Serpentine hinauf. Will man Kraft sparen, muss man eine Serpentine ganz außen fahren. Es ist besser als darin zu kreuzen, wie es manche tun, denen die Kraft versagt. Jetzt hat mich das weite Feld. Da stehen keine Lerchen mehr über den Äckern – weiß der Teufel, wo sie hin sind. Dafür schwankte ein großer gelber Lenkdrachen im stürmischen blauen Himmel. Der an den Strippen trug Geschirr und Helm. Ein zweiter hatte seinen Drachen noch am Boden. Was weiterhin mit ihnen geschah, weiß ich nicht, denn mich trieb der Ostwind voran durch den flachen Hohlweg. Am Wegkreuz flog ich vorbei, dann ließ ich den Lenker los und lehnte mich zurück. Wie herrlich ist es, sich aufrecht treiben zu lassen.

Schon bin ich am Ortsrand von Bocholtz. Über die alte Bahnlinie und dann im schönen Bogen hinunter ins Dorf. Die Kirchturmuhr zeigt fünf nach zwei. Und wieder hinaus, – was kümmert mich der Ort.

Vor der Autobahn biegt ein Weg nach links. Den kenn ich noch nicht. Er führt durch Buschwerk, steigt etwas an, dann liegen Felder und Wissen offen. Im flachen Winkel strebt er der Autobahn zu, um dann wieder nach links zu schwingen, um ihr zu folgen. Sind es hundert Meter über den Grünstreifen bis zur Fahrbahn? Ich sehe die Autos vorbeiziehen.

Im Staate Kalifornien hat man vier große Autokonzerne verklagt. Sie sollen für die Schäden der Klimaerwärmung aufkommen, die zu etwa 30 % durch die Emissionen der Automobile verursacht ist. Warum kommen deutsche Politiker eigentlich nicht auf solche Ideen? Sie könnten die Automobilindustrie zum Beispiel zwingen, den Autos das Flüstern beizubringen. Es ist technisch machbar, das Motorgeräusch abzusenken und die Rollgeräusche der Reifen zu dämmen. Doch um sich mit der Automobilindustrie anzulegen, muss man eventuell ein ehemaliger Bodybuilder sein und Österreicher noch dazu.

Jedenfalls war es wunderbar, so nah an der Autobahn zu sein, und die Autos einfach nicht zu hören. Der steife Wind blies den Schall von mir weg. Welch ein Gewinn an Lebensqualität auf der Seite des Lebens, auf der ich mich gerade befand.

Es geht hinab zwischen trockene Wiesen. Ihr Gras ist fast bis an die Wurzeln gerupft. Eine Herde von gut zwanzig hellbraunen Pferden mit blonden Mähnen findet kaum noch einen Halm. Ich halte und rupfe ein Büschel vom Wegesrand. Da kommen sie in Scharen von überall her. Das schnellste hat mir mit gierigen Lippen das Gras aus den Händen gezogen.
Die Pferde waren vermutlich Halbblütler. Mein Wissen ist in dieser Hinsicht rudimentär.

Weiter unten ein stattliches Gestüt mit dunklen Vollblütlern auf durchaus satteren Wiesen. So ungerecht ist die Welt. Im Ort unten biege ich zum Marktplatz ein. Es geht über Kopfsteinpflaster. Viel Betrieb auf der Straße. Eine frisch gestylte Frau kommt aus einem Schönheitsstudio, ein Mann in einem Elektrokarren braucht Platz auf dem Fahrradweg, und vor dem Modeladen wird getratscht.

Hinter dem Markt von Simpelveld suche ich mir einen Weg durch eine Grünanlage mit Ententeich und Springbrunnen. Bald folge ich einem kleinen Bach durch den Wald. Zuerst sah ich zwischen den Bäumen einen Pinguin, doch dann war es eine Nonne. Sie schob eine Frau im Rollstuhl über den Wandelpaad auf der anderen Seite des Baches. Hinter dem Waldrand hielt ich an und ging ein Stück zurück. Auf der Hangwiese lagen drei schwarze Kühe in gleicher Haltung. Vom richtigen Standpunkt aus lagerten sie nach hinten seitlich versetzt in gleichem Abstand parallel zum flachen Hang und wandten mir die Köpfe zu.

=> Fortsetzung gleich

Sie haben wohl in den Niederlanden auch die glorreiche Idee, erwachsene Menschen in Ein-Euro-Jobs zu zwingen. Einem ganzen Dutzend hat man orange Helme verpasst und sie zum Grasschneiden im Bachlauf abkommandiert. Da passt es, dass der Bach entlang der Straße kanalisiert ist.

Die Straße knickt bei einer weißen Kapelle ab, und ich fahre geradeaus hoch in einen Waldweg. Da stehen große Wohnwagen, die man umbaut hat. In den Niederlanden finden sich viele solcher Flecken. Man trachtet danach, die Roma und Sinti sesshaft zu machen. Das bringt zwar für viele dieser Nomaden die Verelendung, doch sie ziehen wenigstens nicht mehr herum und belagern illegale Plätze. Ich sah aber auch schon prächtige Neubauten, die in ihrer Form den Wohnwagen nachempfunden waren, mit glasierten Ziegeln auf den Dächern.

Der Weg ist steinig und einsam, führt einen Hohlweg hoch, der links von prächtigen Eichen gesäumt ist, dann wieder durch Wiesen auf die Autobahn zu. In einem tiefen Einschnitt unten sehe ich ein rostiges Bahngleis. Es gehört zur Millioenenlijn, vermutlich ist es der Abzweig nach Vetschau, den man an manchen Tagen im Jahr mit historischen Triebwagen befährt.
Gleis und Weg unterqueren die Autobahn. Die Pfeiler sind mit Graffiti überzogen. Eigentlich müssen Graffiti gesehen werden. Eine besprühte S-Bahn fährt die Botschaft durch eine ganze Stadt, Graffiti vor den großen Bahnhöfen sind unter aller Augen. Eine Unterführung zu besprühen, die kaum je einer nimmt, ist einem anderen Motiv gewidmet. Man findet solche Chiffren versteckt in urzeitlichen Höhlen, auf den Unterseiten von Steinen, auf den Rückseiten von Messingtürschildern. Sie sind nicht für die allgemeine Betrachtung gemacht, sondern dienen kultischen Ideen.

Der Weg und der tiefe Einschnitt des Bahngleises bleiben beieinander. Irgendwann muss der Punkt erreicht sein, da der Lärm der Autobahn leiser ist als das Rauschen der Bäume. Diesen Punkt verpasse ich leider. Denn von rechts hinter einem Erdwall mischt sich Baulärm ein. Ich bin am Rand des „AVANTIS European Science and Business Park“. Dieses ehrgeizige grenzüberschreitende Projekt wurde jahrelang blockiert, weil es angeblich den Feldhamster bedrohte. Irgendwer hat mal eine Prämie ausgesetzt für den, der einen Feldhamster auf diesem Gelände fotografiert. Der Preis ist noch nicht vergeben. Inzwischen gibt es dieses Projekt, doch es kommt nicht voran. Man mag ein neues Gebäude errichten. Weiter hinten stehen weitere mitten im Feld. Einen gläsernen Palast kann man kaufen oder mieten. Aus allen Fenstern rufen riesige vergilbte Schilder „te koop“ und „te huur“.

Bei Locht fahre ich auf die Grenze zu. Ein Bus hält gerade, und eine Horde junger Männer strebt zu den Coffieshops. Auf deutscher Seite wartet ein Auto vom Bundesgrenzschutz. Die Beamten haben einen jungen Mann gefischt. Er muss die Hände ans Auto legen und die Beine spreizen, damit man ihn abtasten kann. Gut, dass ich das nicht machen muss, weder das eine noch das andere. Ich halte direkt daneben und gucke mir an, wann das Zollmuseum geöffnet hat. Mir kann nichts passieren, denn ich habe ja noch vom letzten Mal die Absolution der strengen niederländischen Polizei. Das Zollmuseum hat nur zu wenigen Terminen geöffnet, die allesamt schon verstrichen sind.

Daran merkt man, dass es spät im Jahr ist, wenn auch das Wetter etwas anderes sagt.
Dann muss ich jetzt auch nicht mehr eilen. In Horbach setze ich mich vor die Bäckerei und trinke einen Kaffee.

Der Rest der Fahrt ist mir irgendwie entfallen. Dafür fand ich den Packen wieder, den ich mit mir trage. Ein unerfreulicher Tausch.

>:-(

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