Die letzte Freinacht – Lesung, Folge 20

Folge 20
Form

O Gott, bin ich mir fremd, o Gott, bin ich mir fremd.
Ich träumte, ein seltsames Wesen zu sein, ging aufrecht auf zwei gelenkigen Stelzen. Oben hatte ich eine knöcherne Kugel, an der verschiedene Wahrnehmungsorgane saßen. Sie waren seltsam anzusehen, von skurriler Form. Am meisten befremdete mich das Organ, mit dem ich Gerüche wahrnahm.

Manchmal war der Traum so dicht, dass ich mich als gegeben hinnahm. Dann erlebte ich auch die anderen als natürliche Erscheinungen. Ja, zu einigen von ihnen fühlte ich mich hingezogen. Der Schwung im Rücken des Riechorgans einer weiblichen Kreatur war verheißend. Ich betrachtete sie mit Wohlgefallen, sah ihr nach und bedauerte, wie sie in der Menge verschwand. Selbst die grotesk geformten Stelzen regten mich an, besonders da sie an der Außenseite der unteren Partien eine kühn gebogene Linie aufwiesen, und zwar derart, dass das Kniegelenk nicht lotrecht über dem Fußgelenk stand. Zudem bog die Linie hübsch nach innen, bevor sie das Fußgelenk erreichte.

Doch schrecklich war es, wenn der Traum wieder schütter wurde. Dann gewahrte ich die ganze Absurdität meines Körpers, und die anderen mochte ich kaum ansehen. Die ganze Biochemie, ich mag sie nicht einmal beschreiben. Wie oft erschreckte ich dann vor einer Gestalt, die plötzlich durch mein Gesichtsfeld wischte, und dann wurde ich gewahr, dass ich mich selbst irgendwo gespiegelt sah.

O, wie versuchte ich diesem Traum zu entkommen. Und erwachte ich, dachte ich an die wahre Schönheit. Sie war körperlos.

Wo bin ich? Was bin ich? Ein Mensch, wie der Traum mir verrät?
Dann muss ich mich fügen und Menschenwerk tun. Wir holen den Mai!

Zwei winden die Kette um das dicke Endes des Stammes, der Traktor stößt rückwärts durchs Unterholz, die Kette haken sie in die Winde, und dann ruckelt der Traktor, strafft die Kette, und der Stamm hebt, biegt und fügt sich. Das gibt schrille Pfiffe und feudiges Rufen. Der Baum gehört uns!

Folge 21

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