Die letzte Freinacht – Eine Lesung, Folge 5

Folge 5
Diskussion mit der Herausgeberin

Das Kotzenmäre als Gattungsbegriff zu verwenden, ist literaturtheoretisch unvertretbar, da sich diese willkürliche Zuweisung nicht auf textimmanente Aspekte bezieht, sondern auf rein formale. Dass das Kotzenmäre einst an die Zimmerwände eines Bürgerhauses geschrieben worden ist, ist ja nicht zu einer Eigenschaft des Textes selbst geworden.

Dazu schrieb mir Frau Dr. Nettesheim

Lieber Jules van der Ley,

ein ehemals oral tradierter Text wie das Kotzenmäre ist ohne Rezeption überhaupt nicht existent, es ist seine wesenhafte Eigenschaft, dass er erzählt wird. Ein solcher Text entsteht erst im Zusammenwirken zwischen Erzähler und Zuhörer, was genau bedeutet, dass nicht allein der Autor die Geschichte erschafft, sondern auch der Hörer, durch seine Reaktionen.

Ähnlich ist Das-an-die-Wand-geschrieben-sein eine Eigenschaft des Kotzenmäres geworden, mithin kann man eine vergleichbare Erscheinung auch Kotzenmäre nennen.

Außerdem weise ich darauf hin, dass auch Die letzte Freinacht von Ihnen im gewissen Sinne an die Wand geschrieben wird, indem Sie sich für die Veröffentlichung im Teppichhaus-Blog entschieden haben. Zwar äußern sich die Leser nicht auf Spruchbändern, doch sie geben ggf. ihre Kommentare zum Manuskript in länglichen Textkästen ab.

Sie sehen also die Übereinstimmungen der äußeren Merkmale.
Darum hoffe ich auf Ihr Einlenken.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Helene von Nettesheim

Das hat etwas Richtiges und erscheint mir im Zusammenhang mit dem Manuskript aus dem Papiercontainer falsch und zu weit hergeholt. Da ich weiterhin eine ablehnende Haltung vertrete, habe ich mich mit einer anderen Idee des Teppichhauses arrangieren müssen:

„Überall, wo das Manuskript verstümmelt oder zerstört ist, werden aus dem reichhaltigen Fundus des Teppichhauses Tapetenmuster abgebildet.“

Meinem Verdacht, es werde absichtlich Text unterschlagen, um Platz für weitere Tapetenmuster zu schaffen, hat die Teppichhausleitung energisch widersprochen.

Folge 6

Dieser Beitrag wurde unter Teppichhaus Intern abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.