Aachenbummel Online – Heimweh und zwei Stuhlkissen

Gott ist das überall voll! Vor meinem Lieblingscafé am Münsterplatz standen doch tatsächlich die Leute an und warteten darauf, dass Stühle freiwurden. Zum Glück saß ich nicht da, die Tische waren ja schon besetzt, als ich eintraf. Doch hätte ich da gesessen, und vor mir hätte ein wartendes Paar gestanden, da hätte ich nicht mehr in Ruhe sitzen können. Denn irgendwann wären die ungeduldig geworden, und dann hätten sie blöde Gesichter gezogen, und ich hätte das mitansehen müssen. Es gibt ja Leute, denen das nichts macht.
Die saßen an den Tischen.

Auf allen schönen Plätzen werden Bühnen aufgebaut, der Aachener Kultursommer steht an, und der fällt in diesem Jahr zusammen mit den Weltreiterspielen. Daher auch der Trubel. Du musst 50 Kilometer fahren, wenn du noch ein Hotelzimmer willst. Vor den belegten Hotelzimmern hilft ja das Anstehen nicht, die Gäste halten die Tür zu.

Auf dem Markt stand ein historisches Pferdegespann, das Pferd mit Gold, Litzen und Schellen geschmückt. Ein Mann in Bäckermontur schwang eine große Handglocke und rief: „Hört ihr Leute, lasst euch sagen …“
„Was?“ dachte ich.
„…hier steht der Oebel-Bäckerwagen!“

Prompt standen wieder Leute an, diesmal um Stangenbrot. Und dabei war auch ein schrilles Paar, er im Pitbull-Smoking, sie, „naturblond“, völlig aufgetakelt mit Pumps und schwarzem Rock, der unten so ausgefetzt war. Sie schob einen Kinderwagen. Also, jetzt schob sie nicht mehr, sondern sie standen ja. Er griff sich dabei in den Schritt, dann fummelte er versonnen und ausgiebig an ihrem Hintern herum.

Bei Plus stand ich dann auch an. In der Kassenschlange, und ich hatte in einem Anflug von was weiß ich zwei Stuhlkissen gekauft. Hinter mir eine alte Frau mit einer Gehhilfe. Sie sagte: „Sind das Stuhlkissen?“
„Ja.“
„Könnte ich mir eigentlich auch mitnehmen“, sagte sie, blieb aber hinter mir stehen.
„Eigentlich habe ich ja gepolsterte Stühle“, fuhr sie fort, „meine Tochter hat die selber bezogen.“
„Ja, das ist am besten, wenn man etwas selber machen kann“, sagte ich.

Sie hat mir noch viel erzählt und hörte nicht mehr auf, bis ich meine Sachen bezahlt hatte. Das meiste davon hat sie mir in den Nacken geredet. Doch es war irgendwie witzig, und auch ein bisschen absurd. Denn die ganze Zeit musste ich mir vorstellen, wie wackelig die Stuhlkissen auf den von der Tochter selbstbezogenen Sitzpolstern liegen würden.

Leider fühle ich mich heute wie ein Außerirdischer. Wenn sie mich später auf meinem Heimatplaneten fragen, was ich auf der Erde gemacht habe, werde ich sagen, ich hab angestanden oder ich habe welchen beim Anstehen zugesehen. Und hier sind die zwei Stuhlkissen, die ich besorgen sollte.

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