Abendbummel Online – Ethnologische Studien in niederländischen Coffeeshops

„Wo kann man denn hier Gras kaufen?“
Der junge Niederländer zuckt nicht einmal.
„Legal oder illegal?“
„Legal“
„Na, dann fährst du am besten nach Eygelshoven. Das Coffeeshop heißt „Quiam“. Du kannst es nicht übersehen.“

Treffer, den ersten besten Kerkrader gefragt und schon die halbe Miete.

Ein holländisches Café beherbergt keine Kaffeetanten, die mit schlechtem Gewissen über einem Stück Sahnetorte sitzen, es entspricht eher einer Kneipe. Das Quiam ist ein Eckcafé. Gleich hinter der Eingangstür steht ein Billardtisch. Da spielen zwei mit großem Ernst, und ich warte einen Augenblick, um den einen nicht bei seinem schwierigen Stoß zu behindern.

An den Tischen einige Gäste, ziemlich gemischt: jung und alt, Männlein und Weiblein. Tritt ein neuer Gast durch die Tür in ein Lokal, schauen die anderen Gäste kurz hoch. Es ist ein natürlicher Reflex. Die bekifften Typen an den Tischen tun das nicht. Keine Ahnung, was die geraucht haben, es muss jedoch mächtig reinhauen.

Wer Billard spielt, ist nicht bekifft. Und am Kicker kann man unbekifft auch mehr Tore machen, bekifft jedoch einwandfrei mehr Tore reinlassen.

=> Gras macht nicht träge wie Alkohol, doch es zerstreut. Unter Graseinfluss stehe ich vor einem Schaufenster und kann mich vor lauter Gucklust nicht losreißen. Auch finde ich es toll, im bekifften Zustand fernzusehen, dann präsentieren sich alle Regie-, Schauspiel-, und Plotfehler auf dem Tablett, und so wird jeder Film interessant.

Ohne Ton zu gucken, ist auch ganz schön.

Wo sind wir? Ah, im Quiam. Das ist auch typisch für die Wirkung von Hanf, das Abschweifen und der Filmriss. Man kann jedoch damit leben. Irgendwann kommen die Gedanken wieder zurück.

=> Oben an den Wänden des Quiam hängen insgesamt fünf Flachbildschirme, auf denen ganztägig MTV läuft. Ich gucke gerne hoch, wenn sich an der Theke eine Schlange von Graskäufern gebildet hat. Es kaufen hier viele Deutsche ihren Bedarf. Man sieht es an den Nummernschildern der an- und abfahrenden Autos. Mehr als 10 Gramm bekommt man jedoch nicht. Und das ist gut so.

Sie haben da drei laminierte Preislisten.

„Wie unterscheiden die Sorten sich eigentlich?“, habe ich bei meinem ersten Besuch gefragt.
„Nach Northern Light muss ich immer arbeiten!“, sagte der Typ hinter der Theke. Was er noch sagte, habe ich leider vergessen.

Northern Light gibt es schon lange nicht mehr im Quiam. Doch White Widow und Santa Maria sind auch ganz gut, wobei Santa Maria bei mir wie Wahrheitsgras wirkt. Hab’s gerade geraucht, drum kann man mir jetzt alles unbesehen glauben.

In der Ecke des Quiam steht übrigens ein Spielhallengerät. Es ist so ein Rennautositz mit einem Bildschirm davor. Doch ich sah noch nie jemanden darauf sitzen und ein Autorennen fahren. Es ist vielleicht nur Dekoration.

Eine orange Fahne hängt jetzt über dem Gerät: „Hup Holland!“ steht darauf. Es ist der Schlachtruf der niederländischen Fußballfans.

=> Ganz anders ist das Easy Going in Maastricht. Es ist zwar auch ein Café, doch es hat nichts volkstümlich Gemütliches. Es ist ein langer schmaler Raum. Doch gehe ich an der Theke längs, ruft die dahinter immer freundlich „Hoi!“

Das Gras kauft man in einem Verschlag, in den man nur einzeln vortreten darf. Da sitzt ein freundlicher Glatzkopf mit dicken Muskeln, ein cooler Typ mit Ausstrahlung.

Früher hatte er ein Haustelefon, in das er die Bestellung sprach. Dann kamen die Grastütchen aus einer Rutsche in der Wand.
Mir hat der Typ letztens die Strünke von den Grassamen gepflückt und erst dann das Gramm abgewogen. Da hatte er wohl gerade Santa Maria gekifft.

=> Ziemlich abgefahren ging es einmal in einem inzwischen geschlossenen Coffieshop an einer einsamen Aachener Grenzstation zu. Es war ein Abend im Herbst. Dunkler Nachthimmel und Sturm. Die Straße lag wie ausgestorben und in der kurzen Häuserzeile brannte nur ein schwaches Licht. Das war der Coffeeshop.
Ich presste die Türklingel. Ein finsterer Typ öffnete und wies mich in einen Raum, wobei er die Tür wieder hinter mir abschloss. Der Raum stand voller Gerümpel und einige Schränke standen im Weg herum. Da saßen noch zwei andere Gestalten an einem Tisch und musterten mich. Sie waren ordentlich tätowiert, das musste ich ihnen lassen.

Einer von ihnen ging nach hinten, und holte das Gras. Der von der Tür kassierte mich ab. Bin froh, dass er mir nur abnahm, was ihm zustand.
Ach, wie schön ist eine stürmische Herbstnacht, wenn man gerade nicht ausgeraubt wurde.

Das alles habe ich nur geträumt, denn als Deutscher darf man solche Dinge nicht tun. Es war wohl ein deutlicher Traum. Denn wie gesagt, ich bin bekifft. Santa Maria.

**Guten Abend**

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