Freitagsgedanken – Vermeintlicher Tiefgang des Denkens

=> Ah, der Himmel reißt auf, und wo eben noch dichte Regenwolken hingen, strahlt jetzt ein blauer Himmel. Natürlich ist er die ganze Zeit über da gewesen. Er hatte sich nur mir kleinen Menschen verborgen.
Wie bist du in der Welt, Mensch, frage ich mich. Manchmal, wenn ich vermessen bin, dann glaube ich alles tun und lassen zu können, egal wie die Welt um mich herum beschaffen ist. Doch mit ein wenig Demut und dem Gefühl, ich wäre lieber angeschnallt auf meinem Schreibtischstuhl wie überhaupt gründlich versichert in der Welt, dann jedenfalls weiß ich, dass meine Existenz nicht notwendig ist für das Bestehen des Firmaments. Fahre ich hinauf ins Venn, unter den mächtigen Fichten hindurch, höre das stetige Rauschen des Windes in ihren Zweigen, dann weiß ich auch, dass ich gleich einem Schatten nur vorbeiziehe, und ob ich bin oder nicht, der Natur ist es gleichgültig.

=> Es ist ein müßiger Text, den ich hier schreibe, und ebenso müßig ist es, ihn zu lesen. Wer etwas Besseres zu tun hat, lasse ab vom Lesen.

In Momenten wie diesen, die ich erlebe zwischen Tag und Traum, dann mag ich wie so viele nachsinnen über die Natur des Lebens, fragen nach Bestimmungen und Zwecken.

Auch das ist müßig, denn da sind die Grenzen unserer Erkenntnis, die es zu akzeptieren gilt, und glücklich der Mensch, der nach all diesen Dingen nicht fragt, sondern sein Leben einfach lebt. Es gab Zeiten, da habe ich mit einer gewissen Verachtung auf jene geschaut, die ein flaches Leben in engen Bahnen genießen und sich doch bemüßigt fühlen, mir davon zu erzählen. Ich liebte das laute Ja des Lebens und wusste, dass es nicht zu haben war ohne die Bereitschaft, das laute Nein ebenso anzunehmen.

Doch als das Nein zu überwiegen begann und ich bald krumm und gebückt unter einer Last ging, die ich mir selbst aufgeladen hatte, da begann ich das Vermessene und Müßige zu tun. Ich versuchte mir schreibend Klarheit zu verschaffen über das Leben. In der Nacht war ich wach, lag auf meinem Bett und bekritzelte Blatt um Blatt. War ich auf meinen gedanklichen Wegen vermeintlich an einem Ziel angelangt, währte der Augenblick des Glücks nur einen Moment. Denn schon sah ich eine neue Frage frech grinsend an der Ecke lehnen.

Komm her, ich denke dich weg, sagte ich dann, nahm ihn mir vor den frechen Frager, machte ihn müde und zog dann an ihm vorbei, bis er aus meinem Blick verschwunden war. Ja, die Weltenformel schien auf dem Blatt zu entstehen, wie schön. Wäre da nicht der grinsende Kerl schon wieder gewesen, der von irgendwo aufgetaucht war.

So musste ich dann endlich zugeben, dass ich zwar ein in sich schlüssiges System bedenken konnte, doch es umfasste nicht alles, was war. Wie auch. Da ist der Text, da sind die darin geschlossenen Gedanken. Doch darin ist nicht die Welt erfasst, nur das, was ich mit Mitteln der Sprache sagen kann, und das ist herzlich wenig. Die Wörter einer Sprache sind nur Überschriften für komplexe Dinge. Beschreibst du die Welt mit Mitteln der Sprache, das gleicht dem Anlegen einer Landkarte. Da ist das Vereinfachen und Vergröbern notwendig, denn eine Karte im Maßstab 1:1 wäre keine Karte, sondern ein Spiegel der Welt, zu komplex, um damit Orientierung zu erlangen.

So ist es auch mit philosophischen Gedanken. Sie bieten nur Orientierung, wenn sie erklärende Überschriften für Gefühle und Wahrnehmungen bereitstellen. Vereinfachen, vergröbern, banalisieren, das ist das einzige Ergebnis menschlicher Überlegung.

Wer sich dessen nicht bewusst ist, mag sich im Besitz der Wahrheit wähnen und als Welterklärer umherlaufen, auf dass ihm jene folgen, deren Verstandeskraft nicht einmal hinreicht zu erkennen, dass Begrenztheit eine Eigenschaft des Menschen ist. Denn ist da einer ein Mensch, kann er dir nicht mehr Erkenntnis vermitteln als du in dir selbst finden kannst. Es ist alles eine Frage der Übung.

=> Gibt es einen Bereich, in dem der Mensch über seine Grenzen hinauswittern kann?

Ja, im absichtslosen Spiel ist der Mensch ein spirituelles Wesen, auch dann, wenn er in einer beglückenden Tätigkeit aufgeht oder wenn er einem künstlerischen Impuls folgt. Doch er hüte sich davor, darüber nachzudenken. Dann wird ihn das Spirituelle fliehen.

Was du besitzen willst, wirst du nicht erhalten. Was du zu nehmen weißt ohne Besitzanspruch, das bleibt dir geschenkt.

Schönes Wochenende

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10 Kommentare zu Freitagsgedanken – Vermeintlicher Tiefgang des Denkens

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