Abendbummel Online – Müßige Gedanken über Richtungen

=> Eben holte ich mir ein Eis. Also, ich kaufte es mir. Der Rheinländer „holt“ sich ja die Dinge, und ungehaltene Zeitgenossen fragen einen dann, ob man denn wenigstens für die geholten Sachen zu bezahlen gedenke.

Na, klar. Ich war gewillt 1,20 EURO zu geben.

Vor dem Eiscafé an der Jakobstraße steht zu jeder Tageszeit eine Menschenschlange. Dabei wuseln sie drinnen zu dritt hinter der Außentheke. Ist das Eis wirklich so gut? frage ich mich jedes Mal. Man scheint es zu denken.

Jedenfalls standen auch bald einige Leute hinter mir. Das sagte einer mit leiser Verzweiflung in der Stimme: „Ich weiß nicht, in welche Richtung ich gehen soll!“

Das interessierte mich. Ein junger Mensch an einem Scheideweg auf der Suche nach Orientierung … worum geht es da?

Diese Gedanken hatten zwischen der Frage und der Erläuterung der Frage Platz.

„Ich weiß nicht in welche Richtung ich gehen soll …
Schokolade oder mehr in Richtung fruchtig.“

Uff. So ein schweres Problem. Ich drehte mich einmal unauffällig um. Der unglückliche Mensch sah aus wie zweites Semester Maschinenbau. Natürlich stand er mit einem weiteren Vertreter dieser Spezies da. Maschinenbauer im zweiten Semester haben in der Regel keine Freundin. Weibliche Gewährsleute berichteten mir, dass sie sich lieber die Fußnägel lackieren als mit einem Maschinenbauer auszugehen.

Jedenfalls hatte ich etwas zu denken. Wieso ist es ein schweres Problem, in welche Richtung man beim Eisgeschmack gehen wird? Es gibt freilich in diesem Eiscafé ungefähr 25.000 Eissorten. Auf diese Weise wird einem der weitere Lebensweg ziemlich schwer gemacht. Stehst du einmal an der Theke und äußerst einen Wunsch, egal welchen, dein weiterer Lebensweg hängt davon ab, welche Sorte du genommen hast und wie viele Kugeln du dir holst.

Wenn man einmal darüber nachdenkt, wird man sehen, warum der Maschinenbauerstudent so in Entscheidungsnot geriet. Übrigens leidet der Mensch stets gleich viel, egal ob er große oder kleine Probleme hat. Das hat schon Seneca in anderem Zusammenhang gesagt: Egal ob einer viele Haare auf dem Kopf hat oder wenige. Zieht man ein Haar aus, tut es stets auf die gleiche Weise weh. Freilich wollte ich mit dem Maschinenbauer trotzdem nicht tauschen, obwohl ich, was Probleme betrifft, vermutlich mehr Haare auf dem Kopf hatte als er. Meine Probleme sind mir ja irgendwie ans Herz bzw. an den Kopf gewachsen.

Wie krieg ich jetzt den Text rund? Mach ich weiter oder höre ich auf?
Ich höre auf und hole mir ein Bier –
oder doch lieber Apfelsaft? Entscheidungsfragen, die uns der Überfluss diktiert.

Guten Abend

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