Mittagsplausch mit Frau Nettesheim – Mit dem Zollstock gemessen

Trithemius
Sagen Sie, Frau Nettesheim, was hantieren Sie die ganze Zeit schon mit einem Zollstock an meinen Texten herum?

Frau Nettesheim

Das kennen Sie doch, wenn man etwas messen will, braucht man einen Maßstab.

Trithemius

Ah, danke, Sie veralbern mich.

Frau Nettesheim

Nur ein wenig, damit sie auf dem Teppich bleiben. Trotzdem herzlichen Glückwunsch. Ich hoffe, Sie haben sich über die Ehrung durch Plumpaquatsch gefreut.

Trithemius

Doch, sehr. Allerdings wäre es nicht nötig gewesen, denn er hat viele hervorragende Blogs vorgestellt, die man zum Maßstab erheben könnte. Wie er das ganze inszeniert hat und die Sorgfalt, mit der er vorgegangen ist, das verdient in jedem Fall einen Preis.

Frau Nettesheim
Es war klug von ihm, verschiedene Kategorien zu bilden, denn auf diese Weise musste er nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.

Trithemius
Deshalb ist die Platzierung von 10 bis 1 nicht so wichtig. In der jeweiligen Kategorie ist jeder ein Maßstab. Allerdings sollte man alles relativieren. Plumpaquatsch hat ja ausdrücklich betont, dass er rein subjektiv seine persönlichen Kriterien angewandt hat.

Mir fällt ein Lied ein, das ich einmal vor vielen Jahren in der Sesamstraße hörte. Es hatte einen klugen Text, denn man sich auch als Erwachsener hintern Spiegel stecken sollte.

Frau Nettesheim
„Es ist egal wie gut du bist…“

Trithemius
„… da ist immer noch jemand besser als du.“

Überhaupt ist es nicht erstrebenswert irgendwo „brillant“ zu sein. Es reicht das Attribut: „Richtig gut“. Brillanz ist etwas für eitle Menschen. Eigentlich hüte ich mich davor. Man ist sonst geneigt, sich selbst zu kopieren, und das ist das Ende jeder Kunst. Sie verkommt zum Manierismus. Außerdem schreckt Brillanz die Guten ab, an anderen zehrt der Neid.

Frau Nettesheim
Wenn Sie es so sehen wollen, das hat Kafka schon besser als Sie gesagt:

„Nichts, wenn man es überlegt, kann dazu verlocken, in einem Wettrennen der erste sein zu wollen.

Der Ruhm, als der beste Reiter eines Landes anerkannt zu werden, freut beim Losgehn des Orchesters zu stark, als daß sich am Morgen danach die Reue verhindern ließe.

Der Neid der Gegner, listiger, ziemlich einflußreicher Leute, muß uns in dem engen Spalier schmerzen, das wir nun durchreiten nach jener Ebene, die bald vor uns leer war bis auf einige überrundete Reiter, die klein gegen den Rand des Horizonts anritten.

Viele unserer Freunde eilen den Gewinn zu beheben und nur über die Schultern weg schreien sie von den entlegenen Schaltern ihr Hurra zu uns; die besten Freunde aber haben gar nicht auf unser Pferd gesetzt, da sie fürchteten, käme es zum Verluste, müßten sie uns böse sein, nun aber, da unser Pferd das erste war und sie nichts gewonnen haben, drehn sie sich um, wenn wir vorüberkommen und schauen lieber die Tribünen entlang.

Die Konkurrenten rückwärts, fest im Sattel, suchen das Unglück zu überblicken, das sie getroffen hat, und das Unrecht, das ihnen irgendwie zugefügt wird; sie nehmen ein frisches Aussehen an, als müsse ein neues Rennen anfangen und ein ernsthaftes nach diesem Kinderspiel.

Vielen Damen scheint der Sieger lächerlich, weil er sich aufbläht und doch nicht weiß, was anzufangen mit dem ewigen Händeschütteln, Salutieren, Sich- Niederbeugen und In-die-Ferne-Grüßen, während die Besiegten den Mund geschlossen haben und die Hälse ihrer meist wiehernden Pferde leichthin klopfen.

Endlich fängt es gar aus dem trüb gewordenen Himmel zu regnen an.“

Trithemius
Genial. Doch er war halt ein trauriger Mann. Ein Maßstab ist er hinsichtlich seiner Sprache, da reicht ihr Zollstock nicht, Frau Nettesheim. Doch Kafkas Lebenshaltung ist mir eher fremd.
Man soll die Dinge heiter sehen und sich auch einfach einmal freuen.

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