Abendbummel Online – Außerirdische fragen nicht nach dem Weg

Wenn man sich einmal vorstellt, Schreiben sei wie Pflügen, dann geht es diesmal nicht hurtig voran. Der Acker ist steinig, das Gespann will nicht – es besteht vermutlich aus Pferd und Ochse, und die bringen ja bekanntlich am Ende der Furche das Geschirr durcheinander. Wer hier weiter liest, ist selber schuld, Reklamationen nehme ich nur nach diesem ersten Absatz entgegen.

=> Was kann man tun, wenn das Frühlingserwachen Verwirrung ins Denken schaufelt? Man kann es machen wie die junge Frau, die ich heute im Westpark sah. Sie saß auf einer Wiese, hatte sich eine silberglänzende Isomatte untergelegt und las ein Buch. Die Isomatte brauchte sie, denn die Sonne hatte sich am Mittag schon verzogen. Wenn es die Frau in ihrer schön anzuschauenden Versunkenheit auch nicht wahrhaben wollte, es war schon wieder lausig kalt.

Doch ich habe mir gedacht, die beste Methode meinen Kopf zu klären wird sein, wenn ich Gleiches mit Gleichem kuriere. So fuhr ich mit dem Rad durch den Park, denn ich wollte zu einem Supermarkt, der unlängst eröffnet hat. Es ist ein ziemlich großer Supermarkt, gewiss der größte innerhalb der Stadt.

=> Vermutlich bin ich gestern Nacht unglücklicher Weise vom Himmel gefallen, obwohl ich eigentlich in diesem Sektor des Weltalls nichts verloren habe, sondern irgendwo im Sonnensystem Beteigeuze erwartet werde. Auf jeden Fall bin ich direkt hinter dem Eingang fremd. In den Regalen lauter unvertraute Verpackungen, vor mir etwa 77 Sorten Wein, ach nein, verguckt, – es sind nur 25 Sorten Ketschup. Ich weiß nicht, wie viele Lenze ich noch erleben werde. Doch bevor ich all diese Sorten Ketschup durchprobiert habe, betrachte ich die Radieschen von unten, und auf die streue ich nur Pfeffer und Salz. Ach, Pfeffer, wo bist du? Wie viele Kilometer muss ich wandern? Wie siehst du aus?

An einigen Säulen zwischen den siebentausend Regalkilometern findet man große rote Knöpfe. Ein Schild verspricht Hilfe in Fällen von supermarktbedingter Orientierungslosigkeit. Man könnte vorschnell denken, die Planer des Supermarktes hätten an solche wie mich gedacht. Doch dann verstehen sie nichts von der männlichen Psyche. Ein Mann fragt nicht gern nach dem Weg. So stimmt mich das Angebot nicht einmal freundlich.

Mein Einkaufswagen fährt sich leicht, will jedoch immer ein wenig nach links oder rechts, wie ein neugieriger Hund, der an jedem Laternenmast schnuppert. Er füllt sich langsam mit Produkten, die ich nicht einkaufen wollte. Ich versuche mir auszumalen, wie ich aus den Dingen eine Mahlzeit zusammenstelle. Doch sie passen irgendwie nicht zueinander und liegen auch so, als wollten sie nichts miteinander zu tun haben. Wie sich das auf meinen Magen auswirken wird, weiß ich noch nicht.

=> Das Teppichhaus ist ja kein kulinarisches Blog. Deshalb kann ich auch sagen, dass ich gelegentlich auf Fertignahrung zurückgreife, weil mir das Kochen nicht immer zusagt. Ich weiß jedoch, wie diese Produkte entstehen: Zuerst kocht ein Koch mit frischen Produkten das „kulinarische Vorbild“. Es wird verkostet, und wenn man es für gut befindet, wird die Sache von Lebensmittelingenieuren nachgekocht. Dabei versuchen sie jedes einzelne Produkt des kulinarischen Vorbilds durch das billigste Zeug zu ersetzen, das sie finden können. Nudeln zum Beispiel könnten auch aus Pappmaschee gemacht sein, den Geschmack bekommen sie durch Aromaessenzen und künstliche Aromastoffe. Anschließend entziehen sie dem ganzen das Wasser und schweißen es in eine Tüte, auf der ein Foto des kulinarischen Vorbilds abgedruckt ist. Das Auge isst schließlich auch mit.

Am Pfefferregal hätte ich erneut meine Lesebrille aufsetzen müssen. Doch ich wollte als Außerirdischer nicht zuviel Aufmerksamkeit erregen. Deshalb habe ich einfach blind zugegriffen.

Darf ich mich einmal kurz über die Fleisch-Käse-Theke auslassen? Warum müssen Fleischverkäuferin und Käseverkäuferin eigentlich stets nebeneinander stehen und die gleichen Pausbacken und roten Hände haben? Man weiß nie, ob sie überhaupt am richtigen Platz sind, oder ob sie mal mit ihren Fingern im Schweinemett hantieren und dann wieder mittelalten Gouda schneiden.

„Wie zahlreich sind doch die Dinge, die ich nicht brauche“,

… soll Sokrates gesagt haben, als er über den Athener Markt ging. Das habe ich dann spätestens an den 20 Süßwarenregalen auch gedacht.

=> Während ich die mir unbekannten Dinge aus meinem Einkaufswagen aufs Band legte, schaute die Kassiererin zwischen dem Scannen auf und lächelte mich aufmunternd an. Als ich dann bei ihr stand, fragte Sie: „Sind Sie zurecht gekommen?“
Ich hoffe, es ist eine Floskel, die man ihr bei der Mitarbeiterschulung beigebracht hat.
Doch vielleicht hat sie gedacht: Was hat der denn da alles gekauft? Es muss ein Außerirdischer sein, denn solche Dinge verträgt kein irdischer Metabolismus.

Guten Abend

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