Abendbummel Online – Glückwunsch, wenn du Isidor heißt

Frau Claudia Roth war gestern im Fernsehen. Sie sprach aus der Opposition heraus zum Energiegipfel der Koalition. Das war gewiss nicht lustvoll, und entsprechend müde wirkte ihre Kritik. Doch dann sagte sie etwas, was man eigentlich nie sagen darf, auch wenn man ein trockenes Thema pflichtgemäß zu behandeln hat.

„Gabriel hat seinen Gabrielschein verloren“

=> Uff, dachte ich, was zum Teufel ist denn ein Gabrielschein? Da muss ich ja glatt mitdenken. Es gibt einen Erzengel Gabriel. Engel wurden in der christlichen Kunst mit einem Nimbus, zu dt. Heiligenschein, dargestellt. Der „Gabrielschein“ von Frau Roth ist also ein Wortspiel mit dem Namen des SPD-Politikers Sigmar Gabriel.

Ein Wortspiel mit Eigennamen ist in etwa der schlimmste Verstoß gegen die Humorkultur, den man sich denken kann. Es gibt eine stillschweigende Übereinkunft in den Medien, dass man derartige Wortspiele tunlichst zu unterlassen hat.

Eine Entsprechung wäre:

„Claudia Roth trägt die Haare inzwischen gelb.“

Man sieht sogleich, wie billig dieser Witz ist. Vor- und Nachnamen werden einem gemeinhin angehängt, wenn man noch völlig machtlos ist. Manchem ist der Name ein lebenslanger Fluch. Natürlich ist es die freie Entscheidung einer Frau, ob sie bereit ist zum Beispiel einen Herrn Jungverdorben zu heiraten und dann auch noch seinen Namen zu übernehmen. Doch danach ist auch sie darin gefangen und dankbar, wenn man sich niemals witzelnd über ihren Namen hermacht.

=> Heute hatte ich Besuch von einem schönen schwarzen Hund namens Leila. Ein Freund brachte ihn mit, und während wir etwas besprachen, lag Leila auf meinen Dielen und klopfte sie freundlich mit ihrem Schwanz. Ein Hund macht sich gewiss keinen Gedanken über seinen Namen, sondern hört einfach drauf. Doch man würde einem Hund ja auch nicht den Namen verballhornen. Man könne viel von einem Hund lernen, sagte mein Freund. Wie ein Hund zum Beispiel ruht, wenn er vom Auslauf erschöpft ist. Dann ist er ganz bei sich, lässt den lieben Gott einen guten Mann sein und hat kein schlechtes Gewissen, dass er jetzt nicht Männchen macht oder anderen Firlefanz. Er wird sich auch kein albernes Wortspiel überlegen, sondern irgendwelche Bilder durch seinen Kopf ziehen lassen, ohne ihnen zu widersprechen. Ein Hundeleben ist also gar nicht mal so schlecht, wenn man als Hund in guten Händen ist.

=> Dem Lübecker Buchdrucker Johann Ballhorn († 1603) ist übrigens widerfahren, was man niemandem gönnen möchte. Sein Name wurde zum Synonym für die Verschlimmbesserung. Ballhorn hat allerdings viel dafür getan, dass aus seinem Namen das Verb „verballhornen“ wurde. Er pflegte seine eigene Sicht der Dinge in die Texte zu bringen, die man ihm zum Abdrucken gab, und soll auch in einer Fibel einem Hahn ein Ei untergelegt haben.

=> Die Namenorthographie unterliegt nicht den amtlichen Rechtschreibregeln. Der Buchdrucker Ernst Theodor Amandus Litfaß (1816 – 1874) hat die nach ihm benannte Litfaßsäule erfunden, weshalb man das Wort trotz Orthographiereform korrekterweise nicht mit drei „s“ schreiben darf, was übrigens auch sehr hässlich wirken würde.

Namen sind uns eben heilig, und das hat auch sprachmagische Gründe. Obwohl sie zufällig auf uns kommen, scheinen sie etwas von unserer Persönlichkeit zu transportieren, das man nicht zur Disposition stellen mag.

Nomes et omen (Name und (zugleich) Vorbedeutung – im Namen zeigt sich das Wesen dessen, der ihn trägt – nach Plautus, Persa 625).

=> Eben ging ich an einem Blumengeschäft vorbei, in dessen Fenster eine Liste der Namenstage des Monats hing. Der katholische Namenstag ist ja längst hinter dem evangelischen Geburtstag versunken. Kaum jemand feiert noch seinen Namenspatron. Wen soll man auch feiern, wenn man gar nicht mehr nach einem Heiligen, sondern nach einer Comicfigur oder nach einem Rasierwasser benannt ist.
Dem wusste man früher vorzubeugen. Das Konzil von Trient (1545 bis 1563) legte im Rituale Romanum fest: ‚Der Pfarrer möge dafür sorgen, dass den Kindern keine anstößigen oder lächerlichen Namen gegeben werden oder gar solche, die den Sagen entnommen wurden oder solche von Götzen oder Heiden. Stattdessen sind, soweit irgend möglich, die Namen von Heiligen vorzuziehen.‘

Die Heiligennamen des Aprils:

4. April – Isidor von Sevilla
5. April – Maria Creszentia Höss, Vinzenz Ferrer
6. April – sel. Michael Rua
7. April – Johann Baptist de la Salle, Hermann Joseph von Steinfeld
8. April – Walter
11. April – Stanislaus von Krakau
15. April – sel. Damian de Veuster
16. April – Bernadette Soubirous
20. April – sel. John Finch
20. April – Hildegunde von Schönau
21. April – Anselm von Canterbury, Konrad von Parzham
22. April – Agapitus I., sel. Maria Gabriella Sagheddu
23. April – Adalbert von Prag, sel. Teresia Maria vom Kreuz
25. April – Johannes Markus
26. April – Johannes von Valence, Cletus
27. April – Petrus Armengol, In Deutschland: Petrus Canisius
28. April – Sel. Gianna Beretta Molla
29. April – Katharina von Siena, Hugo von Cluny
30. April – Pius V., Josef Benedikt Cottolengo, sel. Pauline von Mallinckrodt
30. April – Quirinus von Rom

Heute dürfen sich also alle freuen, die Isidor heißen.

Für alle anderen:
Guten Abend

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