Abendbummel Online – Wurm, Huhn und gute Eier

Der Mensch kann sich nur etwa eine Strecke von 50 Kilometern räumlich vorstellen. Es entspricht einem Tagesmarsch. 58 Kilometer war meine heutige Radtour lang, man kann sie sich also in etwa vorstellen. W. und ich schlängelten uns zuerst auf Nebenwegen bis Herzogenrath. Wir fuhren auch durch den kleinen Ort Wildnis. Es ist eigentlich nur ein Weiler, direkt an der Bahnlinie der Nederlandse Spoorwegen Richtung Heerlen. Wir sind nämlich fast ständig dem Grenzverlauf zwischen Deutschland und den Niederlanden gefolgt. Wildnis hätte ich gern als Postadresse. Nur wohnen will ich leider nicht dort. Doch aus Wildnis heraus ist es schön. Eine schmale Straße stößt steil aus dem Wurmtal hoch, durch die Reste des Auwaldes hindurch. Der Boden ist kiesig, weshalb wir auch während des Anstiegs das Förderband einer Kiesgrube hörten.

=> Jedenfalls mussten wir aus dem Wurmtal erst einmal heraus, um ihr später folgen zu können. Das Flüsschen Wurm strebt der Rur zu. Es vereinigt sich mit ihr bei Heinsberg. Die Roer wiederum mündet bei Roermond in die Maas. In Aachen gibt es die Roermonder Straße. Viele Aachener sagen „Rörmonder Straße“. Wüssten sie, dass das „oe“ ihrer Nachbarn als „u“ gesprochen wird, wüssten sie auch, wo die Rur in die Maas mündet.

=> Wir fuhren unterhalb einer alten Kohlehalde vorbei, um dann hinter dem nächsten Ort zum Wurmtal abzutauchen. Man stößt unten im Wald auf die Bahnlinie Aachen-Mönchengladbach und steht vor einer geschlossenen Schranke. Da gibt es eine gelbe Rufsäule mit Knopf, denn die Schranke wird nur bei angemeldetem Bedarf geöffnet. Irgendwo in einem fernen Stellwerk saß jemand und krächzt etwas in sein Mikrophon. Vielleicht lag das Krächzen jedoch an der uralten Technik der Säule. Ich verstand nichts. Doch die Schranke blieb erst einmal unten, und wenig später kam eine Diesellok vorbei, die nur fünf Güterwaggons zog. Sie hatten Traktorenreifen geladen.

=> Ich habe just auf diesem Überweg einmal ein 5-Cent-Stück auf eine Schiene gelegt. Wollte doch mal sehen, wie hart die Währung ist. Der Regional-Express aus Mönchengladbach raste darüber hinweg. Meine 5-Cent-Münze sah anschließend prima aus. Sie hatte einen deutlich größeren Durchmesser als zuvor, war ziemlich platt und wunderbar glatt.

=> Weiter an der Wurm entlang. Die Wurm ist hier schon eine Weile Grenzfluss. Der Name stammt vermutlich von den Kelten. Fast alle unsere Flussnamen sind keltischen Ursprungs. Eventuell hieß der Fluss einst Warm. Denn in Aachen-Burtscheid nimmt er Wasser aus den Thermalquellen auf, weshalb seine Temperatur höher war als die der anderen Wasserläufe der Region. Man muss bei der Etymologie der Wörter übrigens immer auf das Konsonantengerüst achten. Meist verändern sich im Laufe der Zeit die Vokale.

Nebenbei: Bei den irischen Kelten gab es das Gessa. Ein Gessa wird besonderen Menschen bei der Geburt schon offenbart. Ein keltischer Prinz hatte das Gessa, er dürfe niemals aus einem Horn trinken. Er hat sich daran gehalten. Doch bei einem ermüdenden Feldzug kam er mit seinem Gefolge einmal an einen unbekannten Fluss. Wie die anderen beugte er sich nieder und trank daraus. Danach fiel er tot aufs Ufer. Denn der Fluss hieß Horn.

=> Schöner fände ich, die Wurm hieße so, weil sie sich früher durchs Tal schlängelte. Zur Zeit jedoch schlängelt sie sich leider nicht. Sie ist begradigt wie ein Kanal. Bevor die Kohleförderung in der Region eingestellt wurde, benutzte man die Wurm als Abwasserkanal. Ihr Wasser war schwarz von Kohlestaub. Es wird berichtet, dass die nach Überschwemmungen im Unterlauf zurückgebliebenen Schlämme in den Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren von der Bevölkerung wegen ihres Kohlegehaltes gestochen und verfeuert wurden.

Vor und hinter Geilenkirchen sahen wir Bauarbeiten im Tal. Man gräbt der Wurm ein neues Bett. Sie darf dort wieder mäandern, zu Deutsch, man erlaubt der Wurm wieder, sich zu schlängeln.

Wir fuhren bis zur Wasserburg Trips. Die Burg stammt aus dem 15. Jahrhundert. Sie hat ein quadratisches Herrenhaus aus Backsteinen und einen mächtigen, haubenbekrönten siebengeschossigen Turm an der Westseite. Vor ihrem Umbau im 18. Jh. soll sie auch Ecktürmchen gehabt haben. Es ist die Stammburg der Herren von Trips.

Wolfgang Graf Berghe von Trips war der erste deutsche Automotorsportler, der nach dem Zweiten Weltkrieg ein Grand-Prix-Rennen gewann. Im Jahr 1961 siegte er beim Grand Prix in den Niederlanden. Im gleichen Jahr verunglückte der Rennfahrer tödlich beim Grand Prix von Italien in Monza.

=> Es ist ein Name meiner Kindheit. Ich habe mir ihn gemerkt, weil er so seltsam klang. Und jetzt saß ich an der klobigen Burg Trips, aß ein Brot und sah den Enten des Burgweihers zu.

Wer in einer solch öden Burg aufwachsen musste, hat vielleicht einen Grund, sich tot zu fahren. So in etwa witzelten wir.

Doch Wolfgang Graf Berghe von Trips wuchs auf Burg Hemmersbach in Horrem bei Köln auf, einem anderen Stammsitz der Familie. Und Horrem ist ja gar nicht weit von Kerpen.
In Kerpen gibt es eine Eierfrau. Sie hat damals im Fernsehen behauptet hat, Michael Schumacher verdanke seinen Weltmeistertitel ihr.

„Dat kommt nur von meiner juten Eier, dat der so jut fährt. Von meiner juten Eier, die dä immer jejessen hat!“.

Vielleicht liegt es also an den Eiern der Bergheim-Kerpener Region, wenn jemand sich ins Auto setzen muss, um schnell im Kreis zu fahren. Jedenfalls gelten die Bergheimer allgemein als schreckliche Autofahrer. BM = Bergheim. Aus Sicherheitsgründen Abstand halten. Es kommt von der juten Eiern.

=> Wir fuhren eher eine Acht. Denn bei Rimbaud wechselten wir auf die holländische Talseite und hatten schon wieder den Wind op kop. In Holland hat man als Radfahrer eigentlich fast immer den Wind op kop. Und die Autofahrer rasieren dir den Unterschenkel, wenn du nicht auf dem Fahrradweg fährst. Es gab auf unserer Strecke aber zeitweilig keinen. Wir kamen auch durch Eygelshoven, das einen Koffieshop hat, der von Deutschen gern besucht wird.

=> Den Rest der Strecke erspare ich uns. 50 Kilometer habe ich ja schon geschildert. Ich hau mir jetzt ein Spiegelei in die Pfanne. Es kommt aus Viersen. Das ist ziemlich weit weg von Kerpen. Ich bin ja Vegetarier, doch Eier esse ich in Wahrheit selten. Mir ist der Entstehungsvorgang dieses Nahrungsmittels nicht mehr geheuer. Hühnerfarmen sind eigentlich eine eklige Angelegenheit. Man will lieber nichts Genaues darüber wissen. Die Verdrängung funktioniert gut. Wenn mal eben 50.000 Hühner gekeult werden wegen des Vogelviruswahns, der seuchenhaft unser Land befiel, dann ist niemand emotional gerührt. Hühner sind ja keine Robben“babys“. Ich krieg die Krätze, wenn ich die moralische Entrüstung mitbekomme, zu denen einige sich jetzt wieder aufschwingen. Wieso hat eine Robbe ein höheres Lebensrecht als ein Huhn? Wieso mampft einer ein Hähnchen und regt sich auf über den „Vogelmord“ an Singvögeln? Darf man Hähnchen in engen Käfigen mästen und anschließend maschinell schlachten, weil sie nicht singen? Dann dürfte ich auch meinen Hund essen, der singt auch nicht. Hab zum Glück keinen Hund. Doch vielleicht könnte man so das Kampfhundproblem lösen. Hund in Robbenmuttermilch gesotten – Biolek soll es im Fernsehen vorkochen.

Guten Abend

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