B4! Die Uhren wurden gestellt

Heute Morgen ist die Sonne in Frankfurt/Oder um 6:52 Uhr aufgegangen, in Aachen jedoch erst um 7:28 Uhr, also etwas mehr als eine halbe Stunde später.

Eine Sonnenuhr in Potsdam zeigt den Höchststand der Sonne eine halbe Stunde früher an als eine in Aachen. Denn eine Sonnenuhr zeigt die Ortszeit. Das heißt, wenn die Sonne an einem bestimmten Ort im Zenit steht, wirft sie den Schatten des Stabes genau auf die Zwölf der Sonnenuhr.

Nebenbei: Zenit ist ein witziges Wort. Es stammt vom arabischen Zemt. Dass aus Zemt das klangvolle Zenit wurde, daran ist ein wenig Fliegendreck schuld, der sich in dem alten Manuskript, in dem es erstmals auftaucht, über dem dritten Beinchen des m befand. Es wurde als „ni“ verlesen. Wörter können also auch durch Fliegendreck ihre gültige Form erhalten. Mir scheint, das ist ein wenig deprimierend für die Sprachpfleger, die ja nach wie vor daran glauben, die Wörter unserer Sprache hätten etwas wesenhaft Unveränderliches an sich.

=> In alter Zeit entsprach die Mitte des Tages, der Mittag, genau dem Augenblick, wenn die Sonne im Zenit stand. Die innere Uhr der Menschen war nach dem Sonnenstand getaktet, was bedeutet, dass der Takt sich zum Beispiel bei Aachenern und Berlinern deutlich unterschied.

Wenn die Dämmerung einbrach, endete der Tag. Dann begaben sich die Eulen auf die Jagd, weshalb die Dämmerung ursprünglich „Eulenflucht“ hieß. Das schöne anschauliche Wort Eulenflucht ist leider versunken wie die Orientierung des Menschen am Sonnenstand.

=> Erst die Fernkommunikation bringt die Idee der Einheitszeit mit sich. Die Notwendigkeit einer Einheitszeit entstand deshalb in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit der optischen Telegrafie. Ich habe ja einmal darüber geschrieben, wie auf der optischen Telegrafenlinie die Uhren gestellt wurden.

Die Einheitszeit ist also eine technische Idee, eine Idee der Fernkommunikation und später der Eisenbahn, die ja einen einheitlichen Fahrplan benötigt. Die Einheitszeit entspricht nicht dem menschlichen Maß, sondern ist ein Kompromiss, dessen Nützlichkeit man nicht bestreiten kann.

=> Doch in keiner Weise nützlich ist das alljährliche Hin und Her der Zeitumstellung von Winterzeit auf Sommerzeit und zurück. Der Mensch benötigt vier Tage bis zu vier Wochen, um seine Innere Uhr umzustellen, weshalb auch an den Montagen nach der Zeitumstellung die Zahl der Verkehrsunfälle deutlich ansteigt. Die Idee, mit der Sommerzeit ließe sich Energie sparen, hat sich als trügerisch erwiesen. Es wird sogar mehr Energie verbraucht.

Etwa 51 % der Menschen in der EU sind mit der Umstellung einverstanden. Das heißt also, dass jeder Zweite Probleme damit hat. Gefragt wurden wir ja nie, ob wir diesen Humbug überhaupt wollen. Ein Kompromiss wäre doch, die Uhren ein für alle mal eine halbe Stunde vorzustellen. Dann entspräche zwar der Sonnenstand noch immer nicht der einheitlichen Uhrzeit, doch wir müssten uns nicht zweimal im Jahr quälen.

=> Leider neigen einmal eingeführte Systeme dazu, sich zu erhalten, auch wenn ihre Nützlichkeit fragwürdig ist. Und natürlich sind es immer die Herrschenden, die uns die Zeit diktieren.

Diese technokratische Arroganz erinnert mich irgendwie an den rumänischen Diktator Ceauşescu, der in einem harten Winter sogar die offiziellen Temperaturangaben nach oben hin korrigieren ließ, als sein Volk wegen des Ölmangels fror.

=> Den Eulen ist übrigens egal, was die Uhr des Menschen anzeigt. Sie fliegen nach wie vor bei Einbruch der Dämmerung. (Falls es noch welche gibt; eventuell müssen die letzten ja bald gekeult werden.) Doch alle Haustiere leiden unter dem willkürlichen Eingriff des Menschen, was der Bauer vor allem bei seinen Kühen erkennt, die einfach nicht einsehen wollen, dass es plötzlich eine Stunde früher zum Melken geht.

Wie soll die Kuh auch verstehen, dass dem Menschen nach und nach jedes natürliche Maß abhanden kommt.

Trotzdem einen schönen Sonntag
(… und morgen früh schön vorsichtig fahren!)

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