Gedanken zur Nacht

Eben habe ich kurz in eine Pfälzische Karnevalssitzung hineingeschaut. Da traten eine dicke Frau und ein dicker Mann mit Bluthochdruck in zu engen blauen Glitzerjacketts auf und bliesen Trompete. Ich hab den Ton ausgeschaltet, weil es dann noch komischer war.

Und dann fiel mir ein, was Karneval und Fasching eigentlich ist. Also eine Hypothese will ich einmal äußern. Dazu muss ich aber anders anfangen.

Früher habe ich naiverweise gedacht, die Monate Januar und besonders der Februar seien nur für mich Depri-Monate. Doch seit ich Blog schreibe, beobachte ich seltsame Wellenbewegungen in den Stimmungslagen. Da ist in der Vorweihnachtszeit eine gewisse freudige Aufgedrehtheit gewesen, man lästerte zwar über den Trubel, genoss jedoch offenbar auch die vielen Lichter und die Reste von Innerlichkeit, die sich aus den kommerzionalisierten Weihnachtsobjekten und -attributen ziehen lassen.
Doch schlagartig nach Silvester brach eine allgemeine Lustlosigkeit aus, eine Bereitschaft sich zu streiten oder sein Blog stillzulegen. Inzwischen geben sich alle wieder mehr Mühe, doch bei vielen hakt es noch. So auch bei mir.

Also stelle ich einmal die Hypothese auf, dass Monate des Winters generell auf’s Gemüt drücken, und man braucht künstliches Licht und künstliche Farbe, um sich wohl zu fühlen, wenn die Sonne nur kurz oder selten scheint.

Doch bis zum Frühling ist es noch weit. Man ahnt, bald geht es bergauf. Daraus schöpft man Kraft, doch sie reicht nicht ganz.
Darum feiern manche Karneval. Es ist der Versuch, sich in diesen lahmen Monaten ein wenig Vortrieb zu verschaffen, Farbe und Licht in die Welt zu bringen. Man kann es nicht mehr so subtil und überhöht wie zur Weihnachtszeit gestalten. Nein, die Menschen sind erschöpft vom Winter, und das weiß man doch: Nach müde kommt blöd.

Man ist also ein wenig deprimiert wegen der Jahreszeit, man ist es auch satt – dieser Monate ist man müde. Deshalb ist es schwierig, aus eigener Kraft wieder ein bisschen abzuheben. Doch wenn sich einige zusammentun, einen Verein bilden, und dann gemeinsam ihre müde Komik machen, dann funktioniert es. Manchmal kann daraus sogar echte Heiterkeit erwachsen, Lebenslust und Aufbruchstimmung.

Leider aber, da hilft auch kein Karnevalsverein: Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Denn diese kollektiven Fröhlichkeitsbemühungen sind zu aufwändig. Man kann sie nicht bis Ostern durchhalten.

Nach dem Feiern kommt das Fasten. Das hat sicher historische Gründe, denn in alter Zeit gingen im beginnenden Frühjahr die Vorräte zur Neige. Man hat eine religiose Praxis aus dem Hungern gemacht, um sich die Zeit erträglicher zu machen. Denn jetzt dient das Hungern einem höheren Sinn, es ist Fasten.

Der Mensch heute kann vielleicht trotz Säkularisierung des Lebens etwas damit tun. Er kann einsichtig sein in der Zeit, bevor die Natur wieder lieblich wird. Einsicht heißt Anerkennung der leisen Erschöpfung in uns. Da sollte man haushälterisch mit sich und seinen Kräften umgehen.

Und wenn einem das gelingt, hat man sogar einen kleinen Gewinn aus dieser Zeit gezogen. Man hat mal wieder geübt, etwas Schweres leicht zu nehmen.

In diesem Sinne:
Gute Nacht, meine Lieben

Lobe am Abend den Tag.

Dieser Beitrag wurde unter Teppichhaus Intern abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

7 Kommentare zu Gedanken zur Nacht

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.