“Spezialist Pre & After Sales Support”

„Kindergarten“ ist eines der wenigen deutschen Wörter, das als Fremdwort ins Englische übernommen wurde. Umso seltsamer, dass im Deutschen sich das Wort „Kids“ für „Kinder“ verbreitet. Kids. Niemand soll sich erdreisten, meine Kinder „Kids“ zu nennen. Wieso „Kids?“, würde ich denken, sind die etwa nicht von mir? Kannte meine Frau einen Engländer ein wenig zu gut? (Wo gibt es eigentlich die illegalen Vaterschaftstests?)

Anders als in Frankreich, wo die Akademie Francais über die Sprache wacht und das Eindringen von Fremdwörtern verhindert, steht das Deutsche schon immer unter Fremdwortdruck. Latein, Französisch in der Vergangenheit, Englisch in der heutigen Zeit.

Als globale Verkehrssprache hat das Englische seinen Sinn und Nutzen, doch die Bereitschaft der Deutschen, gute eigene Wörter in die sprachliche Emigration zu verbannen und stattdessen sich mit engl. Fremdwörtern zu schmücken, hat schon etwas Komisches.

Ende des 19. Jahrhunderts waren Bahn und Post Vorreiter bei der Ersetzung französischer Vokabeln durch verständliche deutsche Wörter…
Perron – Bahnsteig
Billet – Fahrschein
Couvert – Umschlag
Adresse – Anschrift
usw., …
heute ersetzt man gerade dort ohne Not gute und klare deutsche Wörter durch verschleiernde englische Vokabeln. Ein Blick auf die Internetseiten der Deutsche Bahn zeigt diese seltsame Praxis: „Bahn&Bike“, „Surf&Rail“, „Investor Relations“, „Corporate Governance“, „Compliance-Verstöße“…; wozu ist es gut?

Die Rede ist nicht von Anglizismen.
Der Anglizismus ist lt. Duden „eine Übertragung einer für das britische Englisch charakteristischen Erscheinung auf das Deutsche, sowohl lexikalisch als auch grammatisch. Jemanden „feuern“ zu engl. „to fire“, der falsche Plural „Graffitis“, den man häufig hört, zum italienisches Wort „Graffito“, dessen Plural schlicht „Graffiti“ ist. Oder die beliebte neudeutsche Floskel: „Ich denke“ zu engl. „I think“.

Auf Deutsch heißt es: „Ich meine“ bzw. „ich glaube“, und das ist viel ehrlicher, wie die jüngsten Befunde der Hirnforschung belegen: Ein absichtsloses Denken, das nicht von Elementen des Glaubens und Meines begleitet wird, das gibt es nicht.

Anglizismen sind lässliche Sünden. Auch ist es verständlich, wenn das Gehen am Stock dann doch lieber „Walking“ genannt wird, weil das Deutsche kein passendes Wort bereithält. Problematisch sind die echten englischen Fremdwörter, die modischen, jene die verschleiern, ratlos machen, etwas vortäuschen oder einfach nur dumme Blähwörter sind.

Reden wir von der Flut englischer Vokabeln im Geschäftsleben. Die Tätigkeitsbezeichnungen auf vielen Visiten- und Geschäftskarten lassen schaudern:
International Business Development Manager; Regional Sales & Business Unit Manager; Field Sales Engineer; Sales Consultant; Sales Representative; Key Account Manager Sales and Marketing Security Systems; Spezialist Pre & After Sales Support;….

Was will man mit dieser Neusprech sagen? Ist nicht längst der Zeitpunkt gekommen, da der Gebildete mit Geschmack diesen Wortmüll still belächelt?

Und was sind das für Leute, fragt man sich, was zum Teufel machen die eigentlich, diese Abgesandten einer fernen unerreichbaren Unternehmenszentrale? Hoffentlich kann der Mann wenigstens was, der da in seinem sprachlichen Overdress. Hoffentlich stößt man nicht nach wenigen Sätzen an die Grenzen seines Wissens, weil man ihm eine fundierte Ausbildung verweigert hat. Viele dieser Damen und Herren, für deren Tätigkeit es keine deutsche Bezeichnung zu geben scheint, wirken oftmals hilflos, wenn man sie genauer befragen will. Als seien sie nur geschult von solchen, die auch nur geschult worden sind. Und allesamt dürfen sie nicht über ihren kleinen Tellerrand gucken. Denn Wissen ist ganz offenbar in vielen global operierenden Unternehmen ein wesentliches Herrschaftsinstrument, und der Zugang zum Wissen ist hierarchisch geordnet. Diese Unternehmen zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass sie ihren schlecht informierten Mitarbeitern rätselhafte englische Tätigkeitsbezeichnungen anhängen. Die gleichen Unternehmen beantworten eine Anfrage um Hilfe bei einem technischen Problem mit automatisch erzeugten Emails. Mit ihnen sitzt einem der Druck der Globalisierung im Nacken wie ein mittelalterlicher Hockauf.

Da sind doch die Unternehmen zu loben, die noch die guten alten Kundenberater beschäftigen. Leute, die ihr Handwerk von der Pike auf gelernt haben und denen man ihre berufliche und soziale Herkunft noch anmerkt. Mit solchen Leuten ist meistens gut auskommen. Sie kümmern sich nicht nur darum, Produkte zu verkaufen und Abhängigkeiten herzustellen, sie stehen auch mit menschlichen Qualitäten für ihre Firma und deren Produkte ein.

Diesen Damen und Herren ein Lob, und ein mildes Lächeln dem englischen Kindergarten

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