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Das Sonntagswort

Die sich selbst ordnende Bibliothek in deinem Kopf

Drei Etappen => => =>

Weißt du, was mir heute beim Radfahren durch den Kopf gegangen ist?
Ein ganzes Buch. Und wenn du jetzt zum Beispiel 50 Kilometer Radgefahren wärest, denn wäre auch ein ganzes Buch durch deinen Kopf gegangen.

Die besten Errungenschaften der Künstlichen Intelligenz reichen nicht, um die Informationen dieses Buches zu bewältigen. Kein heutiger Roboter kann so etwas Komplexes wie eine Radtour bewältigen.

Nur einige Beispiele: Du fährst eine Abfahrt hinunter, hast ein schönes Tempo, doch du weißt, gleich hört der Wirtschaftsweg auf, und du musst eine befahrene Straße überqueren. Du ärgerst dich ein bisschen. Denn du musst sogar aus dem Sattel. Es gibt eine Fahrradampel dort, die musst du drücken, und du erinnerst dich missmutig, dass es ewig dauert, bis diese Ampel für dich auf Grün springt.

Kein Auto kommt. Du überlegst, ob du eine Verkehrsübertretung begehen sollst und einfach hinüberfahren. Du vergewisserst dich schon, bevor dich so recht entschieden hast. Und dann fährst du einfach hinüber, und bist schon gut auf der anderen Seite, dann erst kommt für dich selbst das O.K.
Erst nachträglich entscheidest du dich, ob deine Handlung gut war. Getan hast du es jedoch schon vorher.

Weiter,- wieder eine Ampelquerung, an einer Kreuzung, in der Mitte eine Verkehrsinsel. Die hintere Ampel zeigt noch grün, die Ampel vor deiner Nase leuchtet rot. Wieder guckst du dich um, ob du es noch wagen kannst, die Grünphase drüben mitzunehmen.
Du fährst bei Rot hinüber zu Grün.

Der Fahrradweg führt oberhalb einer Bushaltestelle vorbei. Du überlegst, ob du die Abkürzung vor dem Buswartehäuschen nehmen sollst. Es ginge, da steht niemand. Doch oben herum fährst du lieber. Es gibt dort „Kicks voor nix“, die du immer gerne mitnimmst. Du erinnerst dich, dort liegt ein neues gutes Pflaster, doch einige Pflastersteine blubbern, wenn du hinüberrollst, und du findest, es ist ein lustiges Geräusch, fast ein Tönen. Außerdem führt der Weg über eine kleine Kuppe, und direkt hinter der Kuppe beginnt die Abfahrt als schmale Rampe zwischen kleinen Hecken hinab auf den Fahrradweg. Und vor der Abfahrt ist noch eine kleine Schikane, es geht scharf links rechts, bevor du rollen lassen kannst. Dann guckst du hoch zum Himmel und denkst, es ist schon so dunkelgrau in der Luft, und deshalb entscheidest du dich, nicht oben herum zu fahren.
All das geht dir durch den Kopf, und du denkst noch darüber nach, dabei hast du dich längst entschieden.

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In der Ferne entlang der Landstraße siehst du einen Mann mit Hund. Du wirst klingeln müssen, denn er hat die Leine ausfahren lassen, und du weißt nicht, wohin es den Hund zieht. Wäre ja blöd, wenn du mit ihm kollidieren würdest. Doch natürlich klingelst du nicht sofort. Du wartest, bis du weißt, dass er dich hören kann und du achtest darauf, dass er noch Zeit hat zu reagieren. Du beobachtest, wie der Hund näher an sein Herrchen gezogen wird, und erst dann trittst du auch wieder in die Pedale. Den Mann umzufahren, wäre ja auch irgendwie ärgerlich, also musst du auch auf ihn achten, denn er könnte einen unbedachten Ausfallschritt tun.

Während du das alles beachtest, ist dein Radfahren selbst ein ständiges Balancieren. Eigentlich kippt man beim Radfahren häufig. Doch man merkt als geübter Radfahrer längst nicht mehr, dass man ständig Bodenunebenheiten ausgleicht.

Zusätzlich nimmst du auch noch deine Umgebung wahr. Sie sagt dir zu oder nicht, die Luft ist dir angenehm oder zu kalt, du merkst, dass du ein bisschen zu warm angezogen bist und leicht schwitzt. Das wiederum ist unangenehm, weil du nass wirst und die Nässe wird manchmal kalt.

Du hörst die vorbeifahrenden Autos, siehst die Lichter, achtest auf Automarken und bestimmte Farben. Und während dein Gehirn ständig diese vielfältige Wahrnehmungen verarbeitet, dich zu unwillkürlichen Handlungen bringt und dir die möglichen willkürlichen nennt, während dessen also kommt dir plötzlich ein lieber Mensch in den Sinn, und du beginnst im Geiste mit ihm eine Zwiesprache.

Wie schafft dein Gehirn das alles?

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Die Flexibilität des Menschen, seine Lernfähigkeit, seine geniale Informationsverarbeitung, Erinnerung, Gefühlsverarbeitung, gleichzeitiges Urteilen und Handeln, das alles ginge nicht, wenn unser Gehirn wie ein heutiger Computer arbeiten würde. Denn das Prinzip unseres Gehirns ist der Fehler. Unser Gehirn lässt Fehler zu. Schnelligkeit geht vor Genauigkeit. Es scheint zunächst kein Vorteil zu sein, denn es bedingt eben Fehleinschätzungen, Fehlhandlungen und die ärgerliche Vergesslichkeit.

Doch es ist ein geniales Prinzip. Denn es hindert den Menschen daran, wie ein Automat immer das gleiche zu tun. Niemals tut der Mensch etwas genau gleich gegenüber dem letzten Mal. Immer richtet er sich nach den augenblicklichen Gegebenheiten.
Geschätzte 10000 Wahrnehmungen hat der Mensch in der Sekunde. Er kann sie unmöglich wie ein Computer in Sekundenbruchteilen abfragen und auch schon gleichzeitig handeln.

Es muss deshalb in unserem Gehirn anders zu gehen als in einem Computer.

Alle Informationen müssen einem Netzwerk zur Verfügung stehen, durch das deine Aufmerksamkeitsfunken flitzen. Doch damit du nicht zu langsam bist, sind alle Informationen als größere Bedeutungseinheiten gespeichert. Doch sie liegen nicht räumlich beieinander, es ist rätselhaft, wie es funktioniert.

Doch klar ist, dass ein großes System wie der Mensch nur urteils- und handlungsfähig ist, weil sich die Informationen in seinem Kopf ständig selbstständig ordnen. Solange sie sich immer neu zu Bedeutungen ordnen, ist der Mensch in seinem Handeln und Denken flexibel.

Was jedoch zwingt die Ordnung herbei?

Der Fehler.

Du stehst im Zug auf und gibst dir zuviel Schwung, weil er gleichzeitig bremst, du ruckelst nach vorn, doch fällst nicht hin. Du hast einen Fehler gemacht und gleichst ihn sofort wieder aus. Das kannst du, weil du ähnlich Erfahrungen schon gemacht hast. So brauchst du also den Fehler, um zu richtigem Handeln zu kommen.

Deshalb sei milde mit dir und nicht zu streng. Besonders, wenn du etwas ändern willst in deinem Leben, ist die Angst vor einem großen Fehler berechtigt. Du hast hier vielleicht noch keine Erfahrung. Du weißt also nicht, wie viel Schwung du dir geben sollst.
Alles in dir widerstrebt der Gefahr, alles in dir widerstrebt dem Energieaufwand. Denn dein Gehirn achtet auch auf Sparsamkeit des Energieverbrauchs. Deshalb ist es so schwer, etwas Weitreichendes anzugehen.

Das System Mensch ist groß, und …

… alles Große ist schwer zu bewegen.

Guten Abend

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