Über den Mann, der Joseph Beuys geschlagen hat

Ich kannte den Mann, der Joseph Beuys geschlagen hat.

Das heißt, ich lernte ihn 10 Jahre später kennen, und zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass er es war, der 20. Juli 1964 mit anderen die Bühne des Aachener Audimax gestürmt hatte und Joseph Beuys ins Gesicht schlug. Ja, ich lebte weit weg von Aachen und wusste nicht einmal etwas von diesem Ereignis, ich war 1964 noch ein Kind.

Es geschah beim legendären Fluxus-Festival der Neuen Kunst, das, wie die Aachener Nachrichten freundlich vermelden, „einen physisch ausgetragenen Konflikt zwischen Akteuren und studentischem Publikum sowie eine Strafanzeige zur Folge hatte. Das Foto des blutenden Joseph Beuys, der mit einem Kruzifix in der Hand gegen die Menge der Studenten tritt, gehört zu den berühmtesten Dokumenten dieser Zeit.“

Als ich den Mann kennen lernte, war ich noch jung. Er hatte bereits zwei Doktortitel und ein Diplom der Ingenieurswissenschaften und besaß eine Hochschulzeitschrift, die ihm offenbar über Anzeigen gutes Geld einbrachte.

Dieser Mann förderte mich, denn ich zeichnete bald Cartoons für seine Zeitschrift. Ich bekam dafür kein Geld, sondern Bücher, das heißt, ich durfte mir Neuerscheinungen aussuchen, die er bestellen ließ.
Die Verlage legen den Büchern „Waschzettel“ bei und erwarten, dass als Entgelt für das kostenlos zugesandte Buch eine Rezension in der jeweiligen Zeitung oder Zeitschrift erscheint.

Zu dieser Zeit begann ich mein Studium, das ich durch Arbeiten selbst finanzierte. Da hatte ich keine Zeit, die Bücher sorgsam zu rezensieren, auch nicht die Qualifikation, denn wie gesagt, ich war noch jung. Also nahm ich die Texte der Waschzettel, strich sie etwas zusammen, und so wurde die Rezension dann in der Zeitschrift abgedruckt. Der Mann sagte mir, dass es alle so machen, was mich beruhigte. Doch koscher war es nicht.

Ich weiß nicht, warum er mich so stark förderte. Wir hatten nicht die gleichen Ansichten über die Welt. Doch er war erfolgreich und hatte die Nase immer obenauf.

Eine Weile ließ ich mir helfen von dem Mann, der Joseph Beuys ins Gesicht geschlagen hat.

Was hätte ich getan, wäre mir klar gewesen, wer mir so oft half? Hätte ich die vielen Aufträge abgelehnt, die er mir besorgte? Hätte ich mein Studium nicht beenden können ohne ihn?

Es geht um die Frage, ob es etwas Gutes gibt im Schlechten. Der Philosoph Adorno hat es verneint.

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