Kurz und gut …

… war der Abendbummel. Das ging auf jeden Fall schon damit besser als bei meinen Texten. Also, dass sie kurz sind. Schreibe ich zum Beispiel: „Heute wird der Abendbummeltext kurz“, wie ich es gestern getan habe, dann freust du dich und denkst: prima, dann los. Doch du liest und liest und denkst: Wann ist denn bald Schluss?

Na ja, man kennt es. Wird denn wieder so ein endlos langer Riemen. Das ist ein Begriff aus der Druckersprache. Sie sagen das, wenn ein Text zu lang ist. Früher hieß so ein Text dann „Bleiwüste“, weil Druckbuchstaben ja mal aus Blei gewesen sind.

Ja, geht es bald los, denken Sie jetzt.
Moment, ich musste mir doch zuerst die Schuhe anziehen.

Rasch vor die Tür.
Es fieselt leider. Doch eigentlich ist mir das heute egal. Nur mein rechter Schuh wird gleich wieder versagen. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist, ich habe die Schuhe erst letztens gekauft. Und billig waren sie auch nicht.

Tja, ich hatte meine Lesebrille vergessen. Da konnte ich leider nicht einkaufen gehen. Leider? Ich habe mich gefreut. So konnte ich gehen, wie ich wollte.

Ich ging dann einfach ziemlich flott geradeaus. Ach so, warum ich ohne Lesebrille nicht einkaufen kann?
Ja kaufen Sie sich denn jeden Tag Kartoffeln? Dann brauche ich die Lesebrille auch nicht. Doch wenn ich etwas in Kartons, Tüten oder Dosen kaufe, oder eingeschweißt in Folie. Dann will ich doch vorher gerne wissen, was drin ist – also neben dem, was ich eigentlich haben will.

Das schreiben sie immer so klein auf die Verpackung. Warum eigentlich, habe ich mich oft schon gefragt. Warum so klein und der Markenname und der Firlefanz drum herum so groß. Wenn ich eine Lebensmittelladenkette hätte, dann würde ich meinen Lieferanten etwas befehlen. Das kann man nämlich als Ladenkettenbesitzer. Die Lieferanten sind dankbar, dass sie in meiner Kette „gelistet“ sind (auch ein Fachbegriff, doch keine Druckersprache. Die Drucker sagen zu der kleinen Schrift: „Augenpulver“).

Ich würde dann befehlen, die Texte ganz groß zu drucken. Damit jede alte Oma und jeder Blindfisch wie ich es ohne fremde Hilfe lesen könnte. Und der Markenname ganz bescheiden klein. Und zwar unten! Denn unten, dann ist es eine Unterschrift. Mit ihr bestätigt der Lieferant, dass er mit seiner Ware auch selbst einverstanden ist. Dass er stolz ist auf ein sauberes Produkt. Denn das wäre natürlich der zweite Schritt, was nicht darin sein muss, das fliegt auch gleich raus. Dann ist auch gleich viel mehr Platz auf dem Karton. Dann kann die Zubereitungsanleitung im Schriftgrad „Text“ gedruckt werden.

So nämlich nannten die Drucker die Größe 20 typographische Punkt.
Auf Ihrem Rechner müssten Sie etwa 22 Punkt einstellen. Dann hätten Sie den Schriftgrad: Text. Warum heißt die Größe nur so, fragen Sie sich doch gleich. Ganz einfach: Diese Größe war die Schriftgröße der ersten gedruckten Bibel. Und die Bibel wiederum, die nannte man Text. Weil sie so festgeschrieben ist, als wären die Buchstaben darin miteinander verwoben. Du darfst bei den alten Juden keinen Buchstaben entfernen. Jeder Buchstabe ist heilig! Es könnte der wahre Name Gottes darin versteckt sein. Sie haben sogar den mittleren Buchstaben in der heiligen Schrift ausgezählt.

So, jetzt laufe ich also mit Ihnen den Abendbummel an meinem Text entlang. Heilig sind mir die Buchstaben auch, doch ich flitsche sie weg, wenn ich mich verschrieben habe. Oder ich lösche brutal ein überflüssiges Wort. So nämlich gehen wir heute mit Text um.
Seltsam oder?

Geradeaus heißt, ich komme am Haltepunkt „Schanz“ vorbei. Man steigt eine Treppe zum Bahndamm hoch und gelangt auf einen langen Bahnsteig. Er ist erst kürzlich fertig geworden. Zuletzt haben sie links und recht zwei gläserne Aufzüge hingesetzt. Deshalb gehe ich gerne einfach hoch, den Bahnsteig entlang und lass mich am Ende vom Aufzug zur Schanz hochfahren. Die Schanz ist eine befahrene Kreuzung. Sie liegt auf einer steilen Kuppe.

Ich stehe vor der leeren Aufzugtür und drücke einen schönen großen Knopf. Dann kam von oben der Aufzug herunter. Die Tür schiebt sich auf, darinnen ist Licht. Es gibt auch hier innen nur einen Knopf, denn es geht ja nur eine Etage hoch. Trotzdem wurde ich im Aufzug von einer Dame angesprochen. Sie saß irgendwo oben im Lautsprecher und sagte mit warmer, freundlicher Stimme: „Ausgang Schanz!“
Das fand ich nett. Also wirklich nett! Sonst hätte ich am Ende noch gedacht, ich bin in Kuba gelandet. Irgendwer hätte den Aufzug entführt. Darum war ich sehr froh, dass die Dame mich beruhigt hat.

Wie viel wiege ich wohl? 80 Kilo? Da könnte so in etwa hinkommen. 80 Kilogramm Mensch wird zur Schanz hochgehoben, von einer Maschine, die das 100fache wiegt. Ist das denn nicht eigentlich eine Verschwendung? Nur damit ich aus Spaß Aufzug fahren kann?

Nein. Überhaupt nicht. Denn ich fahre mit dem Aufzug aus Spaß. Doch es gibt Menschen, die können keine Treppen steigen. Man sieht nicht so viele, doch das ist egal.

Das finde ich nämlich wirklich gut in unserer Gesellschaft, dass wir uns diesen Luxus leisten, eine alte Frau oder ein behindertes Kind im Rollstuhl, sicher und sanft vom Bahnsteig zur Schanz oder umgekehrt zu heben.

Auch die Aufzugknopf-Aufschrift war angenehm groß. Ich wusste zwar, wohin es geht, nämlich aufwärts. Doch ich habe mich trotzdem darüber gefreut.

Guten Abend!

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