Abendbummel Online

Heute war so ein Tag, da bin ich doch erst von der 1. Etage runter, als es schon dunkel war.
Schließe den Briefkasten auf – Nichts darin.

Die Haustür auf – da will ich am liebsten gleich rückwärts wieder rein, obwohl immerhin der Mond fast voll genau vor mir am Himmel stand.

Rückwärts rein ist negativ vorwärts raus, hat Schwitters mal sinngemäß gesagt, weil er den Eintritt fürs Kino sparen wollte.

Na ja, ich muss sowieso schnell gehen, denn heute wird es leider ein langer Abendbummel.
Ich habe mich nämlich mit dem Thema schon festgelegt (Post), doch ein anderes Thema ist genauso wichtig. Das verlangt einen Abstecher.

Eine BILD gab es heute gar nicht. Es hing jedenfalls keine draußen. Ich dachte, was ist das denn für eine Behandlung? Ich bin doch ein treuer Kunde der Schlagzeile.

Die Straße hier ist nicht die Schönste. Stark befahren, viele Leute, doch das ist es auch schon. Leider muss ich sie gehen, denn ich will zu Aldi und zur Post. Das ist nicht ganz angenehm für mich, denn es droht, dass ich auf dem unteren Stück ein geparktes Auto sehe, das ich nicht sehen will.

Jedenfalls muss ich vielleicht mal zum Klempner. Denn ich habe eine Supermarktdepression. Egal ob Kaisers, Lidl, Plus, Aldi – ich kriege sie eigentlich überall. Ein Grund fällt mir immer auf, wenn ich bei meinem Lieblingstabakhändler gewesen bin.

Trotzdem sind natürlich die Gebrüder Aldi Nord und Aldi Süd auch so etwas wie Lichtbringer. Sie sorgen für ein preiswertes Angebot, so dass bestimmte Leute ab und zu richtig essen können. Die Albrechts bezahlen das natürlich nicht selbst (hehe: Platz Eins im Weltall!). Sie pressen es den Lieferanten ab. Denn, wie gesagt, das Geld wird im Einkauf verdient.

Bei Aldi siehst du selten richtige Armut. Denn die Armen tarnen sich gut. Sie wissen genau, wenn man sie erkennt als Arme, dann haben sie gleich zweimal Scheiße am Bein.

Man flüchtet die Armut nämlich. Sie ist wie ein Pesthauch. Am Ende steckt man sich noch an am Unglück.

Darum, wenn du arm bist, verbirgst du dich. Für manche Arme ist es auch ein gesellschaftlicher Event, wenn sie einigermaßen gekleidet hinter der Frau mit den Brillis in der Schlange stehen, und vor der Kassiererin sind sowieso alle gleich.

„Riecht man’s, dass ich kein warmes Wasser habe? Ne, geht noch so gerade“, denkt die Frau hinter mir vielleicht.

Ich gehe weiter zur Post. Nicht mal an den Briefmarkenautomaten komme ich heran, weil ich diese verfickte Postcard nich bei mir habe, denn die Post hat schon zu. Das wäre jetzt nicht nötig gewesen, denn randaliert hätte ich sowieso erst später. Dann kann ich es jetzt auch kurz machen.
Ich finde die Post schäbig.
Sie haben sich dumm und dämlich rationalisiert, eine Vielzahl der Filialen dicht gemacht und ihre Dienstleistungen zusammengestrichen. Und was du früher umsonst haben konntest wie einen Nachsendeantrag, dafür bezahlst du jetzt 18 Euro.

Ein Beispiel ist auch der Briefmarkenautomat. Du brauchst eine Briefmarke für einen Brief zu 54 Cent. Wirfst du 60 Cent ein, hast du die Wahl: „Abbruch“ oder „Überzahlung als Briefmarke“. Sie nehmen sich also einen kostenlosen Kredit bei dir. Zähle das mal zusammen in Deutschland jeden Tag!
Zudem verlege ich diese Marken immer. Dann ist es ein Bargeschenk an Herrn Zumwinkel oder wie der Kerl heißt. Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, dass ich diese Marken sammle. Und wenn ich genug habe davon, dann placke ich die vorne und hinten auf einen Brief. Dass man nur noch ganz klein den Absender sehen kann.

Dann sortieren sie den im Briefzentrum aus, und irgendwo in der Walachei sitzen die Postler, die undeutliche Anschriften entziffern. Da hat dann einer von denen einen Moment zu tun, um meine Adresse rauszukriegen. Für 10 Minuten oder so ist sein Arbeitsplatz mal sicher.

Den Brief werfen sie mir eine Woche später als unzustellbar in den Briefkasten. („Return To Sender“ – eine wahre Geschichte morgen.)

Doch wir sind noch nicht zu Hause. Ich mache einen Abstecher über den Markt. Und dann denken wir uns jetzt das ganze Weihnachtsmarkt-Gebrumme mal weg und denken uns zurück in den Sommer.

Ein schöner Sommertag, dann summt und brummt es hier auch. Vor den Cafés sitzen dicht die Leute, und es hängt ein Stimmengebrumm in der Luft.

Ich saß da und dachte: Wir alle hier wir sind doch ein ziemlich hedonistisches Pack. Man sieht hier auf dem Markt keine armen Leute, doch wir wissen genau, dass das ganze Ostviertel damit voll ist. Die kommen nur nicht hier hin, weil sie sich nicht auch noch den Hals lang machen lassen wollen.
Und die Blicke erst!

In dem Moment kam ein deutlich armer Mann vorbei. Ich freue mich schon, dass meine Theorie nicht stimmt, doch wie ich genau hingucke, da war es…

…ein Prospektverteiler.
Hatte ne schwere Tasche um und wurschtelt sich damit durchs Leben.

Übrigens: Eine Bild gab es doch. Ich sah sie in der Galerie bei der Post. Irgendwas von Bedrohung durch Magneten. Ich glaube, die sind zur Zeit da in ihrem Keller ein bisschen durcheinander.

Na ja, ist bald Vollmond.

Wir sind aber noch immer nicht zu Hause. Denn in der Galerie verkaufen sie Eintrittskarten für die Events der Hedonistenkultur. Trotzdem: So’n armer Mann oder ne arme Frau würde auch schon mal gerne ins Kino gehen, damit sie es nicht machen muss wie Kurt Schwitters. (Doch der hat es aus Spaß gemacht.)

Gleich sind wir da. Ich mache die Haustür auf. Und ich gucke auf die Briefkästen. Da wünsche ich mir, den schließe ich jetzt noch mal auf, und darin liegt ein Doppelbrief wie der da, den ich vor vielen Jahren einmal bekommen habe.

Viel Spaß beim Betrachten von Vorder- und Rückseite!
Ein schöner Gruß an alle aus den Tagen, als noch ein bisschen mehr Zeit in unserer Welt war.

Tja, und die Briefe: Mein Armenblog-Speicherplatz sei voll sagt blog.de Obersphinx. Tut mir lllllleid. Erst später dann.
Warten lohnt nicht. Auch nachdem ich Beiträge gelöscht habe, kann ich die Briefe nicht zeigen.
Naja, die Post kommt ja auch erst morgen gegen elf.

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2 Kommentare zu Abendbummel Online

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