Fassen Sie sich kurz

Den Zettel hat sie mir hinterlassen, die Nettesheim, mit ihrer komischen kleinen Handschrift da. Dabei habe ich doch den Kopf so voll. Na ja, ich kann es in Etappen machen.

Es ist doch schön, wenn sie bei BILD auch einmal einen Praktikanten die Überschrift machen lassen. Allerdings besteht die Gefahr, dass der etwas macht, was so gut wie keinen interessiert. „Bohlens Superstar im Knast“.
Was ist das, ein Bohlen?, habe ich mich gefragt. Und wieso hat es einen Superstar? Kann jeder von uns einen Superstar haben, gibt es die vielleicht im Baumarkt?

Früher hat man ja wenigstens den einen oder anderen Stern mit Namen gekannt. „Alpha Centauri“ zum Beispiel kenne ich. Der ist nicht so weit weg wie die meisten anderen. Na, und unsere Sonne natürlich, die ist auch ein Stern. Heißt wie?

Jedenfalls komme ich, wenn ich in die Stadt gehe, nicht an einem Baumarkt, sondern an einem Engelgeschäft vorbei. Es war schon dunkel und ich schaute durchs Fenster ins Licht, in einen Raum mit sanften Pastelltönen. Da saß ein Mann, der las ein Engelbuch. Er selbst sah nicht direkt wie ein Engel aus, doch er hatte ein ruhiges Lächeln auf den Lippen und saß ganz ruhig. Ich dachte, wenn ich ein Engelgeschäft hätte, würde ich nicht so ruhig dasitzen und leise lächelnd ein Engelbuch lesen. Denn so lange der Laden offen ist, kann doch jede Sekunde ein Engel reinkommen. Das würde mich ziemlich hibbelig machen.

Ein bisschen weiter unten ist noch was Schönes. Da hat einer ein Antiquariat und eine Unterabteilung davon heißt „Lichtenberg-Antiquariat“. Ich war noch nicht drin, doch man hat mir gesagt, dass er tatsächlich dort nur Bücher von Lichtenberg hat, dessen „Sudelbücher“, wenn du sie liest, dir wirklich ein Licht aufgehen lassen.

Ich hatte noch Licht in der Tasche, ein Feuerzeug, doch keinen Tabak mehr. Also ging ich zu meinem liebsten Tabakhändler. Er ist ein alter, großer und hagerer Mann, hat noch Andenken im Laden, und wirkt immer ein bisschen zerstreut. Doch bei ihm kostet der Tabak noch soviel wie vor der Steuererhöhung. Ich habe ihn gefragt, wie das geht? Er sagte, er habe sich rechtzeitig mit einem großen Vorrat Tabak eingedeckt, so dass er noch eine Weile zum alten Preis verkaufen könne. Seine Kunden seien ihm nämlich wichtig. Ich war ganz baff, denn ich kenne sonst keinen, der das macht. Der Mann ist gewiss nicht arm. Ihm gehört das Haus, und es liegt direkt beim Dom.
Natürlich könnte man sagen, na ja, aber er verkauft dir Tabak. Und die Bildzeitung hat er auch da. So toll ist es also auch nicht bestellt um seine Moral. Doch ich glaube, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Denn er ist ja nicht der Papa aller Leute, der sie bevormunden muss. Doch im Rahmen seiner Tätigkeit als Händler ist er nicht nur lang gewachsen, sondern ein großer Mann.

Dann war ich unsicher, ob ich den Weg durch den Weihnachtstrubel wagen sollte. Doch da standen am Dom fünf Russen aus St. Petersburg und hoben an zur Blechmusik. Sie waren im Sommer auch schon mal da. Ihr Leiter ist ein stattlicher junger Mann, der etwas angenehm Weiches an sich hat. Auch seine Gesten sind herzlich verbindlich. Die anderen Russen sind mager, eher ein bisschen rachitisch. Doch weil er da ist, können sie auch Blechmusik machen, obwohl Blech bei diesen Temparaturen eiskalt an den Lippen und Händen ist, oder nicht. Jedenfalls hat sich der Dünnste mit dem kleinsten Kopf dauernd mit seiner Trompete verspielt. Ich war ihm nicht böse, denn ich hab mich gewundert, dass ein Mann mit so einem kleinen Kopf überhaupt Trompete spielen kann.
Der gute Leiter jedoch hat ihn auch nicht ein einziges Mal tadelnd angesehen. Sondern die Musik durch seine Leistung gerettet. Nach einer Weile hatte der mit dem kleinen Kopf sich gefangen. Er machte jetzt alles richtig, er war einfach nur nervös gewesen.

Jedenfalls musste ich mich sehr wundern. Ich dachte, ist Karneval?, doch es war der Weihnachtsmarkttrubel. Da zogen die Menschen in Rudeln und Rotten herum, blinkende Elchgeweihe auf dem Kopf, und ich sah auch einen großen Hund, der hatte auch ein Elchgeweih, so dass ich noch mal hingeguckt habe, ob es nicht doch vielleicht ein Elch ist.

Eine Gruppe älterer Damen rannte an mir vorbei und eine rief ganz aufgeregt: „Indianer! Ich habe meine gute Tat heute schon getan!“
Welche gute Tat denn, fragte ich mich. Vielleicht weil sie mich nicht umgerannt hat, oder so?

Ich konnte es vermeiden, an einem Glühweinstand vorbei geschoben zu werden. Ich dachte, bleib da weg, da ist es zu gefährlich.
Denn heute Morgen las ich, was mir ein gefallener Engel mit Namen Sonneillon geschrieben hat. Später wagte ich mich auf ihren Blog und schaute mir an, was sie so schreibt.

Natürlich schreibt sie besser als ein gefallener Engel, denn sie kann es ja noch von früher. Doch was ein gefallener Engel für Sachen erzählt! Zum Beispiel schreibt sie, sie sei auf dem Weihnachtsmarkt gewesen und habe dort an einem Glühweinstand zu einem Mann gesagt, sie habe eine „manisch-depressive Vagina“ und dass sie sich deshalb umbringen will (war aber nur Spaß). Uff, dachte ich. Wenn meine liebe Lehrerin mir einst gesagt hätte: Mein Kind, du musst fleißig schreiben üben, denn wenn du groß bist, musst du schwere Wörter schreiben wie „manisch-depressive Vagina“, na, ich hätte es nicht geglaubt.

Ich weiß ja nicht, wie Engel gebaut sind, habe ich mir da gedacht. Aber wenn sie gebaut sind wie unsere Menschenfrauen, dann wüsste ich schon, wie man ihre manisch-depressive Vagina heilen kann. Und deshalb entschloss ich mich, demnächst einmal über gute Sexualität zu schreiben. Damit es nicht zu einer Seuche wird mit den manisch-depressiven Vaginas.

Jedenfalls kam ich auf dem Rückweg wieder an dem Engelladen vorbei. Der Mann war weg. Jetzt standen zwei Frauen drin. Die eine im Mantel, das war eine Kundin. Sie sah eigentlich aus wie eine Frau, die sonst einen dicken Mercedes um sich rum hat. Und ich dachte, was will die mit einem Engel? Oder kauft die sich vielleicht Engelpulver für ihre manisch-depre……

(Siehe Teppichhaus-Mitteilung von heute, auch Kommentarteil und Diskussion bei ottsche!)
http://ottscheredet.blog.de/index.php/ottscheredet/2005/12/10/suffisance~374636

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