Abendbummel online – Welch ein Glück!

Ein Glück, BILD hat sie gefunden, die „100 glücklichsten Menschen“. Und gucke ich drauf sind’s Medienhuren, und damit es nicht auffällt, stellen sie einen heiligen Mann dazu. Aus der Bildredaktion war niemand dabei, denn sie haben so wenig Ahnung vom Glück wie ich von der Breite der Hutbänder Elsässischer Frauen eines Dorfes des 17. Jahrhunderts. Habt ihr denn den Maßstab für Glück in irgendeinem dreckigen Keller, ihr alkoholschweren Deppen, ihr Abzocker vor dem Irrenparadies? Es gibt doch keine Bemessung des Glücks, es ist unfassbar und nach oben nicht begrenzt.

Glücklich ist die Frau, die mit einem einzigen Haar ihrer Wimpern kleine Landschaften malt, die man nur unter dem Mikroskop betrachten kann. Glücklich war der ältere Mann hinter mir auf der Rolltreppe, ein Holländer.
„Kom, leevje, kom bij papa!“, sagte er und seine kleine Frau legte vertrauensvoll die schöne faltige Hand in die seine und strahlte ihn an, als sei sie noch achtzehn. Glücklich ist der Musiker, der aussieht wie ein Penner, doch in seinen rauschenden Tönen versinkt, dass auch dich es packt. Glücklich bin ich, wenn mein Kopf es tut, wenn ich nichts aufschreiben muss, was ich unterwegs finde. Glücklich bin ich, wenn es mich hin und her reißt, ob ich nach Hause gehen und schreiben oder in der Stadt bleiben soll. Glücklich, wenn ich nach Hause komme und auf den Tisch lege, was meine Sinne unterwegs aufgesammelt haben. Wenn meine Hände gehen und mein Herz hineinfließt, in Texte, die sich schreiben ohne Müh. Glücklich höre und lese ich von anderen, die Verstand haben, Geschick und Herz. Glücklich bin ich, wenn die Frauen mir hold und gute Männer mir Freunde sind.

Doch dann bin ich in der Stadt an einer winzigen Kante gestolpert, was mich mahnte zum Glück. Denn du darfst dein Glück nicht beschreien, sonst wird es zickig. Es ist zart und fein und passt auf, wo es sich lagert. Du findest es natürlich niemals auf schmuddeligen Titelseiten. Du darfst es auch nicht krampfhaft suchen, dann wühlst du im Müll, und dein Glück schwimmt irgendwo auf dem Mond.

Dein Glück findest du in dir selbst. Und wenn du es gefunden hast, dein Glück – dann stell es an einen guten Platz, wo du es aufsuchen kannst und daran trinken. Du wirst niemals satt von deinem Glück, wenn du eines beachtest, und das ist einfach. Du musst auch manchmal bescheiden zurücktreten, denn sonst spürst du sie nicht mehr, die göttliche Gabe.

Das mache ich jetzt, denn sonst bin ich einer, der nicht glücklich ist, sondern dem Glückswahn verfallen. Dann kommen sie nicht in meine Teestunde, weil sie denken, ich bin vom Wahnsinn umfächelt.

Also musst du auch Unglück ertragen, damit du es erkennst und würdigst dein Glück. Und Stille in dir musst du manchmal haben. Ruhig ein Tässchen Tee trinken und niemand andrer sein als du selbst. Ein einfacher Mensch, der es mal leicht mit sich hat und mal schwer.

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