Schokolade für einen zahnlosen Mund

Es hat also geschneit. Dann kann die vorweihnachtliche Innigkeit beginnen.
Heute also ein vorweihnachtsinniges Thema:

Eine junge Frau vor dem Aldimarkt. Sie ist grau im Gesicht. Sie zittert am ganzen Körper, denn sie trägt dünne verschossene Sachen. Jeden, der vorbeikommt, fleht, jammert sie an:
„Bitteee!“

Die Leute schieben sich an ihr vorbei. Die Frau ist gruselig, man mag nicht mit ihr in Berührung kommen, man will ihren Atemhauch nicht haben. Ihr Elend verdirbt die Laune.
Auch ich gehe rasch durch die Tür.

Ich kaufe, was ich brauche. Schultere meinen Rucksack und gehe hinaus. Eine Tafel Schokolade habe ich nicht eingepackt.

Draußen die jammernde Frau.
Ich gehe zu ihr, sehe sie an und sage:
„Sie brauchen Energie!“
Sie schaut überrascht zurück, nimmt die Schokolade, lacht wie ein Kind und zeigt einen fast zahnlosen Mund.
Ich warte, bis sie wieder aufblickt, schaue ihr in den Augen.
„Und achten Sie ein bisschen besser auf sich, ja?!“
Ich warte, sie ist verwirrt.
„Werden Sie das tun?“
„Ja“, sagt sie endlich.

Ein Bus kommt heran und hält. Sie sieht ihn, rennt hin und springt hinein.

Sie wird nicht besser auf sich achten, nur für einen Moment. Wird mit ihrem zahnlosen Mund die Schokolade lutschen, sitzt im warmen Bus und ist für einen Augenblick froh.

Sie braucht viele Menschen, die auf sie achten, damit sie sich wieder achtet.

Sie war einmal ein hoffnungsfrohes Kind wie du und ich.
Das Leben hat sie zermalmt. Jetzt ist sie elend.

Doch wir haben keine Zeit.
Wir müssen hasten und einkaufen,
Geld verdienen, Geld ausgeben.

Weihnachten steht vor der Tür.

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